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Mittwoch, 24. August 2011

Vespa interruptus

Das Männchen (rechts) liebkost mit seinen Beinen das
Weibchen. Eine falsche Berührung und es wird von der
Angebeteten gefressen.
Ein Kreuzspinnenmännchen darf sich bei der Paarung keinen Fehltritt erlauben. Es ist wesentlich kleiner als das Weibchen und hätte keine Chance, wenn seine Angebetete ihn plötzlich für eine Zwischenverpflegung halten würde. Das Problem ist, dass das Männchen für die Paarung das Netz des Weibchens betreten muss. Das verursacht unweigerlich Vibrationen, die denen einer zappelnden Fliege nicht unähnlich sind.
Wegen dieser frappanten Gefahr hat das Männchen, das mitnichten als Snack enden möchte, eine Technik entwickelt, um sich seiner Angebeteten relativ gefahrlos nähern zu können. Zuerst spinnt es eine Sicherheitsleine, die es irgendwo ausserhalb des Netzes festmacht. Falls während der Paarung irgend etwas schief geht, kann es sich einfach fallen lassen und hängt dann wohlbehütet in der Luft.
Die zweite Vorsichtsmassnahme betrifft die Vibrationen selbst. Sobald das Männchen das Netz berührt, beginnt es mit seinen Vorderbeinen in einem regelmässigen Takt an den Fäden zu zupfen. Es sieht fast so aus, als würde es Harfe spielen. Tatsächlich scheinen diese Vibrationen das Weibchen zu beruhigen und das Jagdfieber in ihr zu unterdrücken. Es bleibt ruhig sitzen und lässt das Männchen gewähren.
Oh je! Eine Vespe bereitet dem Liebesspiel ein jähes Ende.
Fressen ist eben doch wichtiger als Sex.
Nach vielen Minuten hat es sich endlich bis zu seiner haarigen Frau vorgearbeitet und liebkost nun ebenso behutsam ihre Beine, indem er diese immer wieder streichelt und abtastet. Spinnenfrauen sind jedoch nicht so leicht in Stimmung zu versetzen. Nach einer Weile muckst sie kurz auf und erschrickt dabei das Männchen fast zu Tode. Es ergreift sofort seiner Sicherheitsleine folgend die Flucht.
Der Schreck ist aber schnell überwunden und so nimmt es todesmutig einen zweiten Anlauf. Auf diese Weise kann der ganze Prozess Stunden dauern bis es endlich zur ersehnten Paarung kommt. Heute hat das Männchen allerdings Pech. Denn just als es zum zweiten Mal beim Weibchen angelangt ist, fliegt eine Wespe ins Netz. Vergessen ist das Vorspiel und das Weibchen stürzt sich sofort auf die fette Beute. Fassungslos beobachtet das Männchen, wie seine Prinzessin die Wespe einwickelt und sich dann in eine stille Ecke zurückzieht, um ihren Happen in Ruhe auszusaugen. Sichtlich betrübt schleicht das Männchen der Sicherheitsleine entlang aus dem Netz.

Dienstag, 16. August 2011

Das soziale Netz

Das Wasser aus dem Dachengel hat den Boden
weggewaschen. Zum Vorschein kommt das gartenweite
Wurzelnetzwerk.
Ein überlaufender Dachengel eröffnet einem manchmal einen seltenen Blick ins Erdreich. Der kleine Wasserfall, der sich gleich neben der Hausecke ergoss, hat den Boden auf einer postkartengrossen Fläche weggespült. Statt eines Lochs finde ich dort nun ein dichtes Geflecht von Wurzeln, die von den umliegenden Bäumen und Sträuchern stammen. Bestimmt sind drei oder vier verschiedene Pflanzenarten vertreten.
Das zeigt, wie weit die Wurzeln sich in der Horizontalen ausbreiten. Mein gesamter Garten ist wohl mit einer solchen Wurzelschicht durchwachsen. Aber noch viel erstaunlicher ist, dass die Wurzeln untereinander Nährstoffe austauschen. Das gelingt ihnen mit der Hilfe von Pilzen. Auch sie produzieren eine Art von Wurzeln, Mycel genannt, das den gesamten Erdboden durchwuchert. Die Pilzfäden docken an den verschiedenen Pflanzenwurzeln an und saugen Zuckerlösung aus ihnen heraus. Diese verwenden die Pilze einerseits für ihr eigens Wachstum, andererseits geben sie den kostbaren Saft an benachbarte Pflanzen ab.

Der Kinofilm Avatar zeigt eine Welt, in der alle Lebewesen
durch ein feines Netz von Fäden miteinander verbunden
sind. Genau so, wie in meinem Garten.
Das unterirdische Pilz-Pflanzen-Netzwerk erstreckt sich nicht nur in meinem Garten. Man findet es in jedem Wald und auf jeder Wiese. In der Tat kommt es überall dort vor, wo Vegetation die Erde bedeckt. Es ist ein weltweites Netz, dessen Ziel es ist, Nährstoffe untereinander auszutauschen. Forscher vermuten, dass auf diese Weise auch schwächere Pflanzen an Orten überleben können, wo sie eigentlich aufgrund des Lichtmangels oder der Ressourcenknappheit eingehen müssten. Doch angedockt an das Nährstoff-Netz bleiben sie am Leben.
Für einmal zeigt sich die Natur nicht als Bestie, welche die Lebewesen zu einem ständigen Kampf ums Überleben zwingt, sondern als hypersoziales Wesen, das sich um jedes ihrer Kreationen liebevoll kümmert.
Eine ähnliche Vision hatten die Macher des Kinofilms Avatar. Sie erschufen eine Welt, die von einem intelligenten Wesen durchdrungen ist. Die Nervenbahnen dieser Kreatur sehen ganz ähnlich aus wie die Pilzfäden, die in meinem Garten die Zeder mit dem Kirschlorbeer verbinden.

Montag, 8. August 2011

Moskitoküste

Diese Mückenlarve sucht nach winzigen Schwebeteilchen
und mikroskopisch kleinen Tieren, die sie mit ihrem
Maul aufsaugt.
Die Stechmücken sind gerade wieder eine echte Plage. Obwohl unser Haus zwei Kilometer vom nächsten See entfernt liegt, wimmelt es bei uns nur so von den kleinen Biestern. Aber die Distanz zum nächsten grösseren Gewässer hat nicht unbedingt etwas mit der Konzentration der Stechmücken im eigenen Haus zu tun. Die hängt vielmehr mit der Anzahl Vogeltränken im Garten zusammen.
Bei uns gibt es drei Stück davon. Bei genauerer Inspektion stelle ich fest, dass sie mit mehr als nur mit Wasser gefüllt sind. Sie beinhalten ein ganzes Ökosystem. Da gibt es Algen, verrottete Blätter und kleine Würmchen, die sich durch die Blätter fressen. Und man ahnt es: Dutzende von Mückelarven zucken durch die Brühe.
Für sie reicht eine solch kleine Wassermenge vollkommen aus. Hier gibt es alles, was sie benötigen, um sich in drei Wochen zu einer ausgewachsenen Mücke zu entwickeln. In den kleinen Pfützen ist es angenehm warm und es gibt viel Licht. Das fördert nicht nur das Wachstum der Mückenlarven, sondern auch das ihrer Nahrung. Algen gedeihen prächtig und wachsen ihnen praktisch ins Maul. Zudem haben die häufigen Regengüsse der letzten Wochen dafür gesorgt, dass dieser winzige Lebensraum nie austrocknet. Gut für die Mücken, schlecht für mich.
Mückenlarven können nicht unter Wasser atmen. Dazu müssen
sie sich mit ihrem Hinterteil an die Wasseroberfläche hängen.
Dort gibt es bei ihnen statt des Afters ein Atemloch.
Wenigstens machen uns die Biester hierzulande nicht krank. In den Tropen und Subtropen ist das anders. Dort übertragen die Insekten Malaria und andere gefährliche Seuchen. Jede Art von Pfütze wird zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko. Hundetränken, Unterteller von Pflanzen, Kinderspielsachen, alte Autoreifen oder Schubkarren können die Brutstätten von Tausenden von Mücken sein und das gleich vor der Haustür.
Eine chinesische Studie zeigte, dass jeder Deziliter Wasser durchschnittlich einhundert Mückenlarven beherbergt. So können in einem kleinen Areal je nach Häufigkeit der Pfützen täglich Tausende bis Hunderttausende neue Mücken schlüpfen. Die Gegenmassnahme ist theoretisch ganz einfach. Man braucht nur das Wasser auszuleeren. Fragt sich nur, wo es im Garten neben den Vogeltränken sonst noch versteckte Kleinst-Tümpel gibt.
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