Das Leben der Blattläuse in meinem Garten gibt es jetzt als Comic. Hier bestellen.

Sonntag, 24. April 2011

Der Garten ist gegessen

In meinem Garten wachsen mindestens 12 Wildpflanzen, die
sich zum verzehr eignen. Auf 12 Uhr sind die Baumtropfen;
danach im Uhrzeigersinn: Wiesenschaumkraut, Sauerklee,
Wiesenknöterich, Sauerampfer, quer darüber liegt der
Waldmeister, dann die kleinen Blättchen des Gundermanns,
die Blütenknospen des Gänseblümchens, die Blättchen der
Brombeere, Butterblume, Löwenzahn und in der Mitte die
Brennessel.
Warum brauchen wir Artenvielfalt? Weil man sie essen kann! Kürzlich habe ich mir einen Salat aus dem Garten genehmigt. Nicht aus dem Gemüsegarten, sondern aus dem Rasen-Busch-Hecken-Brachland-Garten, also aus dem Teil, den ich nicht mit Nutzpflanzen bewirtschafte. Interessant dabei ist, dass dort sogar noch mehr essbare Pflanzen wachsen als in meinem Gemüsebeet.
Neben der Steinmauer wächst zum Beispiel der Wiesenknöterich (Polygonum bistorta). Jetzt im Frühling sind die Blätter noch jung und zart und schmecken fast genauso wie Kopfsalat. Überall verteil auf der Gartenwiese finde ich Sauerampfer (Rumex acetosa). Die schneide ich samt Blütenstand ab. Schmeckt angenehm säuerlich und frisch. Einen ganz ähnlichen Geschmack besitzt der Sauerklee (Oxalis acetosella) unter den beiden Tannenbäumen. Ihn kann ich einfach samt Stiel ausrupfen. Die Wurzeln bleiben dabei im Boden.
Jetzt etwas Süsses. Da bietet sich das Wiesenschaumkraut (Cardamine pratensis) an. Seine Blüten enthalten Nektar und schmecken nach einem Hauch von Zucker. Sehr lecker. Sie sind ein idealer Gegenpol zum Löwenzahn (Taraxacum officinale). Er ist die zahlreichste essbare Pflanzenart in meinem Garten. (Hier könnt ihr lesen, warum.) Seine jungen Blätter schmecken leicht bitter und sind eine Art Rucola (Rauke) für arme Leute.
Und so sieht der fertige Salat aus. Angerichtet mit Pfeffer,
Salz, Balsamico und Olivenöl.
Schon fast geschmacksneutral ist dagegen das Gänseblümchen (Bellis perennis). Für den Salat eignen sich Blätter und die geschlossenen Blüten. Diese kann man auch in Essig einlegen und als Ersatz für Kapern verwenden. Vielleicht für die nächste Pizza? Die Blätter der Butterblume (Ranunculus ficaria) sind ebenfalls nicht sehr auffällig im Geschmack. Aus irgendeinem Grund heisst es in meinem Pflanzenführer, dass man davon nicht zuviel verzehren sollte. Also nur ein paar Blättchen in den Salat.
Jenseits jeglicher Klassifizierung sind die jungen Blätter der Brombeere (Rubus sp.). Hier nehme ich wirklich nur die ganz jungen Triebe, denn deren Stacheln sind winzig und reissen mir nicht gleich den Rachen auf. Die Brombeere wächst als Unkraut um und in meinem Kürbisbeet. Nachschub gibt es also genug. Der Geschmack ist allerdings sehr gewöhnungsbedürftig. Erinnert an Bienenwachs gemischt mit Wallnuss. Pur gegessen, wird mir fast übel.
Jetzt braucht es noch etwas für die Masse, damit ich auch satt werde. Hier bietet sich eine alte Heilpflanze an: die Brennessel (Urtica dioica). Sowohl die Ernte als auch die Zubereitung benötigen etwas Geschick, sonst tut es weh. Am besten schneidet man die Blätter klein. Sobald Essig und Öl dazu kommen, kann man sie essen, ohne sich die Zunge an ihr zu verbrennen. Ungefährlicher sind da die Blätter der Baumtropfen (Aegopodium podagraria). Zu empfehlen sind die jungen Blätter, denn je älter sie werden, desto zäher sind sie. Ihr Geschmack ist sehr herb und nicht jedermanns Sache. Als Dekoration noch etwas Waldmeister (Galium odoratum) und Gundermann (Glechoma hederacea) – fertig ist mein Gartensalat!

Tipp 1: Mit etwas Zwiebeln und einigen Käsewürfeln schmeckt man den Unterschied zum herkömmlichen Kopfsalat fast nicht mehr.

Tipp 2: Hier findet ihr alle essbaren Wildpflanzen aufgelistet.

Sonntag, 17. April 2011

Sein oder Nichtsein

Das Loch im Briefchen mit den Zuckermaiskörnern. Das
war ein schwerer Schlag für meinen Gemüsegarten.
Seit Monaten werde ich von einer Maus terrorisiert. Sie hat sich irgendwo im Geräteschuppen zwischen den Gartenschaufeln, leeren Blumentöpfen und Kartonschachteln einquartiert. Das wäre mir ja noch egal, aber Mäuse besitzen einen ziemlich grossen Appetit. Was liegt da näher, als sich hinter mein Saatgut zu machen?
Ihr Vorgehen ist immer dasselbe. Sie pirscht sich von unten an die Briefchen mit Sonnenblumen, Karrotten und Bohnen heran, nagt ein daumennagelgrosses Loch hinein und braucht dann nur noch den Mund zu öffnen, um sich mit köstlichem Saatgut vollaufen zu lassen. Zu meinem Leidwesen hat sie das schon den ganzen Winter über gemacht. Die Stangenbohnen waren weg. Das dazugehörige Briefchen übrigens auch. Ich habe es später hinter einem Blumentopf wiedergefunden – zu Konfetti zernagt. Ein paar der Stangenbohnensamen fand ich später in einem anderen Versteck, einem Körbchen mit Wäscheklammern. Einige waren angefressen aber andere sahen noch unversehrt aus. Trotzdem warte ich noch heute darauf, dass sie endlich keimen. Doch im Topf vor dem Haus rührt sich nichts. Vielleicht hat ihnen die Maus doch auf eine raffinierte Art und Weise zugesetzt. Von den Eichhörnchen ist bekannt, dass sie bei Eicheln den Embryo rausbeissen, bevor sie sie im Boden verscharren. So können sie garantiert nicht mehr keimen.
Aber die Maus vernascht nicht nur mein Saatgut. Sie geht auch hinter den Sack mit den Hornspänen und macht sogar vor dem Karton mit den Schneckenkörnern nicht Halt. Egal welches Gebinde ich anfasse, sobald ich es hochhebe, höre ich es Rieseln. Besonders getroffen hat mich ihre Attacke auf meinen Zuckermais. Über den habe ich kürzlich etwas für das Magazin oliv geschrieben und darum vom Hersteller ein grosses Briefchen für das Erstellen der Bilder bekommen. Als ich die Körner neulich in meinem Frühbeet ansäen wollte, gähnte mich nur noch das Loch im Papier an. Von den Körnern gab es keine Spur.
Diese feindseligen Angriffe auf die Biodiversität meines Gartens müssen ein Ende haben. Das Wohl von Dill und Pflücksalat wieg schwerer als das Wohl einer einzelnen Maus. Aber ich überlasse die Entscheidung euch. Wer sich inspirieren lassen will, dem empfehle ich diesen Artikel über die einzige Mäusefängerin der Schweiz. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.*

Soll die Maus getötet werden?

*Das ist übrigens von Shakespeare. Nur damit mich niemand eines Plagiates beschuldigt.

Dienstag, 12. April 2011

Kamikaze-Sutra

Rote Mauerbienen bei einem Schäferstündchen. Es waren
sogar mehrere Stunden.
Wildbienen unterscheiden sich zu den Honigbienen nicht nur in ihrer solitären Lebensweise, sondern auch in ihrem Sexualverhalten. Am Wochenende konnte ich ein glücklich vereintes Pärchen der Roten Mauerbiene beobachten. Während Stunden sonnten sie sich an der Hauswand und kopulierten dabei in aller Ruhe vor sich hin. Die Linse meiner Kamera störte sie überhaupt nicht. Ab und zu spazierte das Weibchen, auf dessen Rücken das kleinere Männchen sass, einige Zentimeter, dann hielt es wieder inne und konzentrierte sich nur noch auf den Liebesakt. Aber abgesehen davon, dass sich die Hinterteile der beiden berühren, gab es nicht viel zu sehen.
Dramatischer spielt sich die Paarung bei den Honigbienen ab. Im Flug packt das Männchen (Drohne) die zukünftige Königin und führt seinen Penis sogleich ein. Interessanterweise lähmt dieses Vorgehen das Männchen komplett. Es hängt hilflos und bewegungsunfähig an seiner Angebeteten. Bei uns Menschen würde ein solches Verhalten in einer frustvollen Nacht enden, doch eine Honigbienen-Dame hat ihren Mann jetzt genau dort, wo sie ihn haben will: als wehrlosen Körper, dessen einzige Aufgabe es ist, seine Spermien in sie zu übertragen. Das macht sie denn auch gleich selbst. Mit einer heftigen Kontraktion ihres Hinterleibes presst sie den Samen aus seinem Penis heraus. Der plötzliche Druckanstieg in seinem besten Teil überträgt sich auf seinen Hinterleib. Das arme Männchen explodiert mit einem hörbaren Knall und stürzt zerfetzt zu Boden. Sein einziger Trost besteht darin, dass die neue Königin mit seinem Samen viele Tausend Arbeiterinnen zeugen wird.
Bei den Wildbienen ist die Paarung zwar viel harmonischer, aber ganz ohne Störung geht es doch nicht. Ich beobachtete, dass immer wieder andere Männchen im Sturzflug auf die beiden Vereinten zuflogen und erst im letzten Augenblick abdrehten. Vielleicht wurden sie von den Duftstoffen des Weibchens angelockt und merkten erst, dass es schon besetzt ist, als sie ganz dicht dran waren.

Sonntag, 3. April 2011

Wildbienenghetto

Ein Hotel für Wildbienen aus Recyclingmaterialien. Oder
sollte man von Ghetto sprechen?
Wer dafür sorgt, dass aus einer Apfelblüte ein Apfel wird oder aus einer Kirschblüte eine Kirsche, weiss heute dank der Zeichentrickserie «Biene Maya» jedes Kind. Genau, die Honigbiene. Aber mindestens ebenso verantwortlich dafür sind die Wildbienen. Von ihnen gibt es allein in Europa 2100 Arten. Im Unterschied zur Honigbiene leben sie in freier Wildbahn und sind nicht auf die Fürsorge der Menschen angewiesen. Die meisten von ihnen sind Einzelgängerinnen und ziehen ihren Nachwuchs ohne die Tausenden von Helferinnen auf, wie das bei der Honigbiene der Fall ist. Ihre Brut legen sie auch nicht in Waben aus Wachs, sondern in hohle Äste von Sträuchern und Bäumen.
Wildbienen kann man im eigenen Garten oder auf dem Balkon ganz einfach fördern, indem man Nisthilfen aufstellt. Hier eine Anleitung zum Bau eines einfachen Modells aus Recyclingmaterialien. Benötigt wird: eine alte Zeitung, eine leere Plasticmilchflasche, eine Schere, Tesafilm und Bastelleim.

1. Die Doppelseite einer Zeitung falten und mit einer Schere in vier gleichgrosse Rechtecke zerschneiden.

2. Diese doppellagigen Papierstücke mit Hilfe eines Bleistifts von der kürzeren Seite her zu Röhren rollen und mit je zwei Stück Klebstreifen fixieren. Anstatt eines Bleistifts abwechslungsweise eine Stricknadel oder einen Kochlöffel verwenden. So entstehen Röhren mit unterschiedlichen Durchmessern. Ideal ist eine Streuung von 2 bis 10 Millimeter, da jede Wildbienenart einen anderen Durchmesser vorzieht. Es müssen zwischen 40 und 50 Röhren hergestellt werden.

3. Den oberen Teil einer sauberen und trockenen Plasticmilchflasche mit einer Schere oder einem Teppichmesser abschneiden. Optional kann ein kleines Vordach stehen gelassen werden. Die Zeitungsröhren werden nun gebündelt und mit einem Stück Zeitungspapier satt umwickelt. Mit zwei Stück Klebstreifen fixieren. Auf die Seiten den Bündels etwas Bastelleim geben und dann in die Milchflasche schieben. Auf diese Weise fallen die Röhren nicht mehr von selbst heraus.

4. Die fertige Nisthilfe ein bis zwei Meter ab Boden mit Schnur oder Klebband starr montieren (nicht aufhängen). Am besten wählt man einen überdachten Standort, damit die Papierröhren nicht nass werden. Gute Plätze sind: Balkone, Fensterbretter, Lücken in einer Holzbeige oder unter Vordächern von Gartenhäuschen.

Hinweis: Die Wildbienen quartieren ihren Nachwuchs im Sommer in die Röhren ein. Dieser überwintert in ihnen als Puppen, die im folgenden Frühling schlüpfen. Die Nisthilfe muss also über den Winter in Ruhe gelassen werden.
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