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Mittwoch, 2. Februar 2011

Aus einem Haufen Dreck

Die Maulwürfe in meinem Garten bringen die wertvollste
Ressource der Erde ans Licht: Boden.
So sieht mein schlimmster Albtraum aus:
Ich klaube ein Zweifrankenstück aus der Brieftasche, schiebe es in den Schlitz am Einkaufswagen und fahr los. Ich setzte Kurs auf den Salat. Er steht als erstes auf meiner Liste. Ein absolutes Muss. Salat ist knackig, er ist Frühling, Sommer, Herbst und Winter in einem. Er hat etwas Frisches und Leichtes. Beim Kopfsalat strecke ich meine Hand aus, lege die Finger um das kühle, taufrische Grün und – er bewegt sich nicht. Er ist wie festgewachsen am Gestell und rückt keinen Millimeter. Beim nächsten geht es mir genau so und auch beim übernächsten. Ich probiere alle Köpfe durch und schaue mich dann hilflos nach einem Mitarbeiter um. Zu meinem Schrecken steht einer gerade hinter mir und lacht. «Haben Sie das Schild nicht gelesen?», sagt er. «Welches Schild?» Sein Finger zeigt nach oben. Über der Theke steht geschrieben: «Geschätzte Kunden, ab heute haben wir das Gewicht unserer Produkte angepasst. Neu wiegen sie so viel, wie der Boden, den sie benötigen, um zu wachsen. Wir danken für Ihr Verständnis.»
Mein Gehirn beginnt zu rechnen: Kopfsalate gedeihen in einem Abstand von 30 Zentimeter zu einander. Das heisst, jeder hat etwa eine Fläche von zwei Quadratdezimeter zur Verfügung. Darunter erstreckt sich der Boden bis in eine Tiefe von zwei Metern. Das macht 45 Kilogramm Boden pro Salat. Oh je. Mit aller Kraft hieve ich schliesslich zwei in den Einkaufswagen. Dann weiter zur Milch.
Die wird wohl nicht so schwer sein. Aber als ich die Literflasche vom Stapel nehme, breche ich mir fast den Arm. Die Flasche fällt runter und zerplatzt. Reihum treffen mich entsetzte Blicke. Eine Kuh benötigt für jeden Liter Milch, der aus ihrem Euter sprudelt, dreieinhalb  Kilo Gras – so viel wie auf 1,4 Quadratmeter Wiesland wachsen. Das macht rund drei Tonnen Boden. Ich blicke auf die Milchflasche und denke, dass sie mir sowieso schwer im Magen gelegen hätte.
Als ich bezahle, schaut mich die Kassiererin fragend an. «Sie sind wohl auf Diät.» Das Förderband quietscht unter den 90 Kilogramm Salat. Wehmütig denke ich an den Bergkäse, das Mangojoghurt und den Parmaschinken, die ich Mangels Bizeps zurücklassen musste. Unten in der Garage reissen die Tragriemen der Papiertüte und die Salate purzeln auf den Boden. In der Küche beim Rüsten verbiegt sich Theke und beim Anrichten zerspringt der Teller. Als ich die erste Gabel voll nehme, kriege ich den Mund nur mit Mühe zu und danach habe ich das Gefühl, einen Elefanten verschluckt zu haben. 

Aber eben, das ist zum Glück nur mein schlimmster Alptraum. Vom Gewicht des Bodens kriegen wir in der realen Welt nichts mit. Wir kaufen mit Leichtigkeit ein, ohne einen Gedanken an die wichtigste Ressource dieser Welt zu verschwenden.

1 Kommentar:

  1. Wirklich toller Text. Leider denken wir oft viel zu wenig darüber nach, wie viele Ressourcen Produkte des täglichen Bedarfs überhaupt benötigen, überhaupt weil sehr vieles unbenutzt bzw abgelaufen immer Müll landen.

    Lg kathrin

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