Das Leben der Blattläuse in meinem Garten gibt es jetzt als Comic. Hier bestellen.

Montag, 26. Dezember 2011

Fette Vögel

Die Futterstelle spendet wertvolle Vitamine in Form von
Körnern. Sie helfen vor allem den ohnehin schon häufigen
Vogelarten wie Blaumeise, Amsel und Grünling.
Jedes Jahr warte ich darauf, dass die Vögel in meinem Garten vom Himmel fallen und sich nicht wieder aufrappeln. Todesursache: Herzinfarkt. Bis heute ist es zwar noch nie passiert, aber so wie die Futterlage im Moment ist, steuern sie möglicherweise direkt auf dieses Szenario zu.
Die Winterfütterung ist ein Volkssport. Pro Haushalt gehen jedes Jahr zwischen fünfzig bis hundert Kilo Vogelfutter über den Ladentisch. Grossverteiler wie die Migros bieten neben den Standardmischungen auch eine «Gourmet» Linie für unsere lieben Singvögel an. Das zeigt, wie sehr wir an unseren gefiederten Nachbarn hängen. Doch nützen die vielen Tonnen Sonnenblumen- Hanf- und Weizenkörner den Amseln, Blaumeisen und Grünlingen auch etwas?
Die offizielle Haltung der Schweizerischen Vogelwarte Sempach ist klar: nein. So schreibt auf ihrer Webseite: «Biologisch gesehen ist das Füttern im Winter nicht notwendig. Vögel, die bei uns überwintern, sind sehr gut an die kalte Jahreszeit angepasst.» Immerhin schadet massvolles füttern nicht, wie es weiter heisst. Hm, das sagt die Alkohollobby über den Konsum von Schaps auch.
Etwas mehr Licht in den dunklen Vogelmagen wirft eine neuere Studie aus Grossbritannien. Forscher haben in einem mehrjährigen Experiment zeigen können, dass die Jungen von Blaumeiseneltern, die in den Genuss einer Winterfütterung gekommen sind, eine zwanzig Prozent grössere Überlebenschance haben als die Jungen ihrer Artgenossen ohne Körnerkur.
Die Forscher erklären sich das mit einem erhöhten Vitaminangebot. Sonnenblumenkerne beispielsweise enthalten Vitamin E, ein Antioxidans. Die Eltern speichern es bis zum Frühling in ihrer Leber und geben es dann an ihre Eier ab. Mit diesem Nährstoff-Upgrade steigt die Lebenserwartung der Küken.
Also nützt die Winterfütterung doch etwas! Die Frage ist nur, wem sie etwas nützt. Mit den extra Kalorien und Nährstoffen helfen wir vor allem Vogelarten, die ohnehin häufig sind. Die Zugvögel, die im Frühling nach einer langen erschöpfenden Reise in unsere Gärten zurückkehren, gehen leer aus. Zu allem Überfluss müssen sie sich nun gegen superfitte Blaumeisen behaupten.
Auf diese Weise greifen wir jedes Jahr in das wohl ausbalancierte Ökosystem unserer Gärten ein. Wenn überhaupt ein Vogel an einem Herzinfarkt vom Himmel fällt, dann ist es ein Zugvogel, weil er gegen die Supermeisen keine Chance hat.

Sonntag, 18. Dezember 2011

Bis es kracht

Die Nadeln der Atlaszeder fangen den Wind ein
und reissen so die Äste ab.
Der Sturm «Joachim» ist diese Woche mit über hundert Kilometern pro Stunde über die Schweiz gefegt. Er zerrte an den Bäumen meines Gartens als wollte er sie wie Unkraut samt Wurzeln aus dem Boden reissen. Erstaunlicherweise hat das bei den meisten nur geringe Schäden verursacht.
Der grosse Verlierer ist die Atlaszeder gleich neben der Einfahrt. Es ist einer der höchsten Bäume. Im Sommer ist das ein grosser Vorteil, weil er so sehr viel Sonnenlicht einfangen kann. Aber in einem Wintersturm wie diesem, wenn das Holz von der Kälte etwas brüchiger ist als sonst, ist Grösse für einmal ein Nachteil. Man sieht es der Einfahrt an: Über Nacht hat sich auf ihr ein beachtlicher Haufen Äste angesammelt. Aber für einen Baum mit diesen Ausmassen ist das dann auch nicht weiter schlimm – vergleichbar etwa mit Haare schneiden.
Abgesehen davon, hätte es viel schlimmer kommen können. Einmal riss ein Sturm einer etwas dünn geratenen Tanne den Spitz ab. Die stand dann ein paar Jahre kopflos im Garten, bis sie endlich ihre neue Triebspitze wieder auf gleicher Höher hatte. Schön aussehen tut das nicht, aber Bäume sind zum Glück nicht eitel.
Das passiert dem Nussbaum nicht. Dafür
verbringt er den Winter nackt im Garten.
Im Winter sind Nadelbäume allgemein anfälliger für Sturmschäden als Laubbäume, weil ihre Nadeln wie Tausende kleine Segel den Wind einfangen und auf jeden einzelnen Ast eine enorme Zugkraft ausüben. Da hat es der Nussbaum besser gemacht. Er hat seine Blätter im Herbst abgeworfen und steht jetzt zwar nackt aber dafür windschlüpfrig da. Ihm hat Joachim nichts anhaben können. Seine Äste sind alle noch dran.

Freitag, 9. Dezember 2011

Einer bohrte sich durch die Haselnuss

Die Ausstiegsluken für die Larven des
Haselnussbohrers.
Bei der Vermehrung sind die Haselsträucher ganz bei der Sache. Im Frühling entlassen sie ihre Pollen in Schwaden aus ihren Kätzchen. Aus jedem von ihnen strömen zwei Millionen Pollenkörner. Pro Strauch muss ihre Anzahl in die Milliarden gehen.
Doch trotz dieser ziemlich erstaunlichen Potenz bleibt dem Haselstrauch ein reicher Kindersegen verwehrt. Als ich diese Woche die Nüsse auf dem Rasen zusammenlese und sie mit einem Messer aufschneide, mache ich eine erschütternde Entdeckung. Von 13 Nüssen enthält nur eine einzige einen gesunden Samen. Die meisten anderen fielen Pilzen zum Opfer. Irgendwie haben sie es geschafft die harte Schale zu durchdringen.
Aber der Hasel noch andere Feinde. Etwa in der Hälfte aller Nüsse klafft ein Loch. Das ist die Handschrift des Haselnussbohrers, eines Rüsselkäfers. Im Frühsommer bohrt das Weibchen mit ihrem Rüssel ein winziges Loch in eine junge Haselnuss. Sie legt ein Ei hinein, aus dem bald darauf die Larve schlüpft. Vier Wochen lang frisst sie sich durch die Nuss, bis fast nichts mehr von ihr übrig ist. Von aussen sieht man zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Erst wenn sich die fette Larve einen Weg nach draussen bahnt, hinterlässt sie das typische Loch.
Von 13 Haselnüssen war nur eine gesund.
Die Weibchen legen ihre Eier offenbar nur in grosse Haselnüsse, denn das einzig gesunde Exemplar aus meinem Garten ist nur etwa halb so gross wie die anderen. Nach der Fressorgie überwintern die Larven im Boden. Erst im Frühjahr verpuppen sie sich und verwandeln sich in die nächste Generation von Käfern.

Dienstag, 29. November 2011

Urwaldverhinderer

Der alte Birnbaum in meinem Garten ist
bereits tot. Pilze verdauen sein Holz gerade.
Die frei werdenden Nährstoffe kommen der
kleinen Eibe zugute.
In den Wäldern Europas hat mindestens 2000 Jahre lang die Axt gewütet. Dabei mussten die einstigen Urwälder mit ihren Jahrhunderte alten Bäumen dran glauben. Heute haben wir keine Vorstellung mehr davon, was ein alter Wald bedeutet, wie es dort riecht oder wie es in ihm tönt. Sehnsüchtig blicken wir zu den Nationalparks in Nordamerika, wo es noch solche Waldbestände gibt, oder zu den Regenwäldern, in denen noch Baumriesen stehen.
Aber auch wenn wir mit Beil und Motorsäge unsere einstigen Urwälder in Kuhwiesen und Weihnachtsbaumplantagen verwandelt haben, so haben wir es nicht geschafft, ihren Geist auszurotten. Wer genau hinschaut, sieht ihn allenthalben aus dem Unterholz emporstreben. In manchem vergessenen Winkel des Gartens regt er sich gerade jetzt. Er manifestiert sich etwa in den kleinen Eibensprösslingen. Überall im Garten, wo es genug Schatten hat, keimen sie und entwickeln sich zu kleinen Bäumchen. Die Vögel haben ganze Arbeit geleistet.
Die Eibe ist für Europa, was der Mammutbaum für Nordamerika ist. Sie ist der Archetyp des Urwaldbaumes. Mit einer Lebenserwartung von 3000 Jahren stellt sie alle anderen hiesigen Nadelbäume in den Schatten. Ihre Uhr tickt sehr langsam. Pro Jahr legt ein Baum nur ein bis drei Zentimeter an Höhe zu. Das ist kein Nachteil, sondern im Gegenteil ihr Erfolgsrezept. Die Eibe wartet, bis andere Bäume wie die Buche oder die Eiche gross werden und ihre mächtigen Kronen entfalten. Im Schatten solcher Bestände wächst die Eibe mit Vorliebe.
Während die Bäume rundum grösser und fetter werden und nach einigen Jahrhunderten ihrem Lebensende nahe kommen, wächst die Eibe langsam und bedächtig als schmächtiges Bäumchen vor sich hin. Wenn dann eine alte von Pilzen zerfressene Buche unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfällt, ist die Eibe bereit, ihren Platz einzunehmen. Jetzt breitet sie ihre Eigene Krone in alle Himmelsrichtungen aus. Der Schatten, den sie auf den Waldboden wirft, ist so dunkel, dass keine andere Baumart unter ihr zu keimen vermag. Für die kommenden Jahrtausende gehört der Wald ihr allein.
Nur leider kommt es in den Gärten nie soweit. Eiben werden gestutzt und geschnitten, ausgerissen und zurückgepfiffen. Damit sind wir Gärtner Urwaldverhinderer. Wir drängen seinen Geist immer wieder zurück ins Unterholz. Aber vielleicht, eines Tages, wenn unsere Hände müde geworden sind, werden die Eiben die Herrschaft über Land, Garten und Wald wieder an sich reissen. 

Dienstag, 22. November 2011

Der wertvollste Kot der Welt

So sieht Regenwurmkot aus. Die beste Erde, die es gibt.
Es gibt Tiere, die machen meinen Garten jedes Jahr ein wenig grösser. Zu den prominentesten unter ihnen gehören die Regenwürmer. Jetzt im Herbst haben sie Hochbetrieb. Und ich kann förmlich sehen, wie mein Garten dem Himmel entgegenwächst.
Die Würmer fressen die Blätter, die jetzt reichlich auf dem Rasen liegen. Dazu kommen sie nachts aus ihren Gängen an die Oberfläche, schnappen sich ein Blatt und ziehen es hinunter in die Tiefe. Dort können sie sich mit Fressen und Verdauen Zeit lassen. Wenn das Blatt in ihrem Magen und ihrem Darm zerkleinert, zermalmt und verdaut wurde, kommt die Stunde, in der es den Regenwurm wieder verlassen muss.
Um ihr Geschäft zu verrichten, kriechen die Regenwürmer an die Oberfläche und scheiden dort ein Häufchen Kot aus. Doch das hat mit dem, was beispielsweise ein Hund von sich gibt, nichts zu tun. Regenwurmkot stinkt nicht und wenn man drauftritt, ist es auch nicht weiter schlimm, denn er besteht aus reiner Erde. So hat sich ein Blatt in neuen Boden verwandelt.
Durch ihre Tätigkeit kommt mein Garten jedes Jahr einen Bruchteil eines Millimeters höher zu liegen. Mein Haus sinkt also mit der Zeit im Rasen ein. Zum Glück ist der Prozess unendlich langsam. Nur schon um unsere heutigen Böden mit einer Tiefe von zwei Metern zu bilden, benötigten die Regenwürmer 10 000 Jahre.
Ihr Kot ist die beste Erde, die es gibt. Sie enthält fünf Mal mehr Stickstoff und sieben mal mehr Phosphor im Vergleich zur Umgebungserde. Da verstehe ich nicht, warum es Leute gibt, die jedes einzelne Blatt auf ihrem Rasen zusammen rechen und irgendwo deponieren. Auf diese Weise stehlen sie den Regenwürmern bloss das Futter und halten ihrem Rasen die jährliche Gratisdüngung vor.

Sonntag, 13. November 2011

Durch die Nase sehen

Da wartet sie geduldig bis Hefepilze die Traube aufzufressen
beginnen. Erst dann legt sie ihre Eier ab.
Die Stubenfliegenplage ist vorbei. Dafür suchen uns jetzt ihre kleineren Verwandten heim. Ein Dutzend der winzigen Fruchtfliegen belagert meine Trauben und sobald ich eine Banane anschneide, missbrauchen sie die klebrige Fläche als Landebahn.
Das machen sie natürlich nicht aus Spass. Sie haben etwas ganz anderes im Sinn: fressen und Eier legen. Ihr Nachwuchs ernährt sich bevorzugt von Mikroorganismen wie Bakterien oder Hefepilzen. Sie kommen in grossen Mengen in verrottendem Obst vor. Darum sind die erwachsenen Tiere stets auf der Suche nach möglichst überreifen Früchten. Eine liegengelassene Traube oder eine angeschnittene Banane auf dem Fensterbrett kommt ihnen da gerade recht.
Auch wenn sie zur Decke starrt, weiss sie
genau, was ich mache. Ihre Nase sagt
ihr, dass ich gerade einen
Apfel aufschneide.

Egal in welcher dunklen Ecke der Wohnung das vergessene Stückchen Obst vor sich hin fault, die Fruchtfliegen finden zielsicher zu ihm. Das liegt an ihrer feinen Nase. Genau zwischen ihren Augen liegen ein Paar stummelförmige Antennen. Sie sind gespickt mit Geruchsrezeptoren. Jeder Rezeptor ist auf eine bestimmte Klasse von Geruchsmolekülen geeicht, so wie ein Schloss nur zu einem bestimmten Schlüssel passt.
Jedes Mal wenn das richtige Molekül andockt, sendet der Rezeptor einen elektrischen Impuls aus. Er wandert innert Bruchteilen einer Sekunde zum winzigen Fliegenhirn. Dieses wandelt das Signal in Bilder um: frische Banane, verfaulende Banane, drei-Tage-alte Traube, ein paarungsbereites Weibchen.   
Diese Umwandlung von elektrischem Reiz in Bilder vollzieht sich so schnell, dass die Fruchtfliege sogar im Flug laufend neue Gerüche «sieht». Wenn plötzlich etwas Interessantes in der Luft liegt, braucht sie nur eine Kursänderung vorzunehmen und schon steuert sie auf das Apfelstückchen unter dem Sofa zu.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf

Wenn der japanische Ahorn die Nährstoffe aus seinen
Blättern saugt, zerstört er dabei die grünen Farbstoffe.
Zurück bleibt ein leuchtendes Orange.
Jedes Jahr macht uns die Natur in einem farbenprächtigen Schauspiel vor, was man mit beschränkten Ressourcen machen sollte: rezyklieren. Wenn die Blätter sich gelb, rot und orange verfärben ist das nicht Ausdruck des Alterns und des Todes. Ganz im Gegenteil. Es zeigt lediglich, wie umsichtig die Natur mit ihren Rohstoffen umgeht.
Die Blätter sind mit ihren sechs oder sieben Monaten sehr junge Gebilde. Der Grund für ihren rapiden Zerfall ist, weil der Baum es so will. Forscher wissen heute bereits, dass Hunderte von Genen am Alterungsprozess eines Blattes beteiligt sind. Der Baum schaltet sie ein, sobald er seine Blätter rezyklieren will. 
Dazu muss er jede einzelne Zelle eines Blattes ausräumen. In ihnen stecken Aminosäuren, die der Baum beispielsweise zur Ausreifung seiner Früchte gut gebrauchen kann. Die meisten Nährstoffe stecken in den Chloroplasten. Das sind die Solarzellen der Pflanzen, mit denen sie aus Sonnenlicht, Wasser und CO2 Zucker herstellen. In jeder Blattzelle gibt es mehrere von ihnen und sie sind voll mit wertvollen Stickstoffverbindungen.
Dabei baut er auch den in den Chloroplasten enthaltene grüne Farbstoff ab. Andere Farbstoffe, die in weit geringerer Konzentration in den Zellen vorhanden sind, kommen nun zum Vorschein. Das Blatt verfärbt sich. Die Herbstfarben sind also kein Mahnmal für Alter und Tod, sondern vielmehr eine Erinnerung daran, dass sogar ein einfaches Blatt zu kostbar ist, um es einfach wegzuwerfen.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Leuchtender Reis

Einen Holzdübel mit dem Pilz wirft man einfach in ein
Konfitürenglas mit abgekochtem Reis.

Weltweit gibt es 71 Pilzarten, die von sich aus leuchten. Eine von ihnen befindet sich seit kurzem in meinem Besitz. Es ist der Eichen-Zwergknäuling Panellus stipticus. Im Aussehen gleicht er Austernpilzen, er ist jedoch ungeniessbar. Doch dafür leuchtet er ganz wunderbar.
Hinter dieser Eigenart steckt dieselbe chemische Reaktion, wie sie auch das Glühwürmchen einsetzt, um sein Hinterteil erstrahlen zu lassen. Dabei wird ein Stoff namens Luciferin mit Sauerstoff abgebaut und es entsteht Licht.
Licht aus und schon sieht man das Leuchten.
Oben: Der Deckel des Glases ist noch
zugeschraubt. Der Pilz kriegt nur wenig
Sauerstoff und leuchtet nur schwach.
Unten: Der Deckel ist weg und nach 20
Minuten leuchtet der Pilz viel stärker
Warum manche Pilze leuchten, ist bis heute ein Rätsel. Einige Forscher vermuten, dass er damit kleine Insekten anlockt, die den Pilz fressen und so seine Sporen weiter verbreiten. Bewiesen hat es bis heute niemand.
Eichen-Zwergknäulinge kann man im Internet bestellen. Da der Pilz sich von Holz ernährt, wird er oft auf Holzdübeln in einem Konfitüreglas verschickt. Die Dübel sind einfach zu handhaben und lassen sich bequem auf andere Wachstumsmedien übertragen. Mein Exemplar habe ich auf Reis gebracht. Das Verfahren ist dasselbe wie beim Kräuterseitling.
Er scheint Reis wirklich zu mögen. Nach einem Monat ist das halbe Konfitüreglas bereits durchwachsen. Das Mycel (die weissen Pilzfäden) leuchtet sowohl bei Tag als auch bei Nacht. Man sieht es aber nur in einem dunklen Raum.
Da es für die Leuchtreaktion Sauerstoff braucht, sollte man den Deckel vom Glas abnehmen und den Pilz für zwanzig Minuten frische Luft atmen lassen. So verdoppelt sich die Leuchtintensität.

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Die Ödipus-Wespe

Dass sich die Mauerbienen so gut eingemauert haben, nützt
ihnen wenig. Die Erzwespe kaut sich einen Weg zu
ihnen durch.
Die besten Geschichten schreibt nicht Shakespeare oder ein Dichter des Alten Griechenlands. Nein, es ist die Natur selbst. Eines dieser wandelnden Dramen ist kürzlich bei meinem Wildbienenghetto aufgetaucht. Es ist die Erzwespe Melittobia acasta. Sie ist nur ein paar Millimeter gross. Gleich mehrere Weibchen haben sich auf den zugemauerten Eingängen zu den Nestern der Roten Mauerbiene versammelt.
Sie haben es auf die Puppen abgesehen, die in den Nestern auf den Frühling warten. So wie es aussieht, werden diese den Frühling jedoch nicht mehr erleben. Die Erzwespen haben extrem starke Mandibeln, mit denen sie sich sogar durch Plastik nagen können. Es wird ein leichtes für sie sein, einen Gang durch das Mauerwerk zu fressen und an die Puppen zu gelangen.
Dort angekommen werden sie mit ihrem Stachel ihr Opfer punktieren. Am austretenden Blut laben sie sich. So gestärkt, beginnen sie nun mit dem Legen der Eier. Diese sind äusserst klebrig und bleiben auf der Puppe wie feuchte Bonbons haften.
Ausserdem sind die Eier alle unbefruchtet. Das heisst, aus ihnen schlüpfen ausschliesslich männliche Larven. Sie ernähren sich von der Puppe bis sie ausgewachsen sind und sich selbst in einen Kokon hüllen. Während der ganzen Zeit wacht die Mutter neben ihrer Brut. Sobald die fertigen Männchen aus ihren Kokons schlüpfen, tragen sie erbitterte Kämpfe untereinander aus. Um wen wird hier gestritten? Um die Mutter. Denn der stärkste ihrer Söhne darf sich mit ihr paaren.
Nun besitzt sie einen der begehrtesten Stoffe in der Natur: Sperma. Mit ihm kann sie nun endlich befruchtete Eier legen. Aus ihnen schlüpfen ausschliesslich Weibchen. Sie krabbeln wieder ans Tageslicht und schwärmen aus auf der Suche nach einem neuen Opfer.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Die Klon-Krebse

Zwei genetisch identische Weibchen. In ihren Eierstöcken
sind die Langzeiteier gut sichtbar. Vermutlich spüren sie
anhand der hohen Salzkonzentration, wann ein Becken
austrocknet.
Postkarte aus den Ferien in Ibiza: Seit Jahrhunderten wird in den Salinen von Ibiza Salz aus Meerwasser gewonnen. Verschiedene Becken verdunsten das Wasser bis nur noch das gleissend weisse Salz übrig bleibt. Die meisten Touristen fahren auf dem Weg zum Strand an dieser historischen Anlage vorbei, ohne gross Notiz von ihr zu nehmen. Dabei spielt sich in ihr ein aussergewöhnliches Naturschauspiel ab.
Denn in den Verdunstungsbecken gibt es Leben. Millionen von kleinen Salzkrebschen tummeln sich in der Brühe. Sie gehören stammesgeschichtlich zu den Krebstieren, doch werden sie nur ein bis zwei Zentimeter gross. Auch bei der Panzerung unterscheiden sie sich vom Hummer oder von der Krabbe erheblich. Das Aussenskelett der Salzkrebschen ist so dünn, dass es durchsichtig ist. Der Darm und die Eierstöcke sind gut erkennbar.
Unzählbar viele Krebschen schwimmen durch die Brühe. Sie
ernähren sich von kleinen Algen.
Im Meer würden diese zierlichen Kleinkrebse nicht lange durchhalten, weil es dort viel zu viele Räuber gibt. Zudem sind sie wegen ihrer rötlichen Färbung sehr auffällig und darum ein leichtes Ziel für die Fische. Genau aus diesem Grund haben sie sich auf extrem salzhaltige Gewässer spezialisiert. Salzseen sind ihr natürlicher Lebensraum aber ebenso lieb sind ihnen künstlich angelegte Salzbecken wie die Salinen.
Dort kann die Salzkonzentration bis zu 100 Prozent erreichen. Den kleinen Krebsen macht das nichts aus. Ich habe sie in Becken schwimmen sehen, in denen der Untergrund bereits mit kristallisiertem Salz bedeckt war. Wenn man die Hand dort rein hält, fühlt sich das Wasser irgendwie schmierig an. Die kleinste Wunde würde brennen wie die Hölle. Ein Spritzer in die Augen wäre auch nicht gerade lustig. Unter solchen Umständen könnten Meerwasserfische keine Sekunde überleben. Gut für die Krebse. Denn so haben sie ihre Salinen für sich und werden nicht von Räubern belästigt.
Die Salzkrebschen in Ibiza gehören zur Art Artemia parthenogenetica. Das Besondere an ihr ist, dass sie ausschliesslich aus Weibchen besteht. Sie haben im Verlaufe der Evolution die Fähigkeit entwickelt, ohne Sex Nachkommen zu zeugen. Die Männchen sind völlig überflüssig geworden. Das hat zur Folge, dass jedes Jungtier eine identische Kopie der Mutter ist. In der Biologie nennt man das einen Klon. Sobald die Jungtiere erwachsen sind, schwellen ihre Eierstöcke wie von Zauberhand an und sie beginnen damit, selbst Nachkommen zu gebären.
Wenn die Mütter in einem Becken schwimmen, das kurz vor dem Austrocknen ist, legen sie Langzeiteier. In ihnen befinden sich fertig entwickelte Babys, die eine Art Winterschlaf machen. So können sie jahrelange Trockenzeiten überstehen. Wenn sich dann das Becken wieder mit neuem Wasser füllt, befreien sich die Babys innerhalb von 24 Stunden aus ihrer Verpackung und gründen eine neue Kolonie von Klon-Krebsen.

Sonntag, 18. September 2011

Sozialer Egoismus

Eine Gallische Feldwespe schaut unter einem Ziegel hervor.
Ihr Verhalten könnte erklären, warum es staatenbildende
Insekten gibt.
Wespen und Honigbienen haben eines gemeinsam: beide leben in einem sozialen Superstaat, in dem es allein der Königin vorbehalten ist, Eier zu legen. Alle anderen kümmern sich nur um die Aufzucht ihrer Herrscherin, ohne selbst jemals die Freude des Mutterwerdens erleben zu dürfen.
Es ist ein ungelöstes Rätsel, wie diese «dummen» Insekten es geschafft haben, ihre eigenen Urtriebe zu bändigen und ohne Murren für das Wohl des Ganzen zu arbeiten. Forscher aus der ganzen Welt richten ihren Blick zurzeit auf die Gallische Feldwespe (Polistes dominula), die ein regelmässiger Gast in unseren Gärten ist. In ihrem Verhalten zeigt sich, was soziale Insekten überhaupt erst sozial macht. Die Antwort: Egoismus in Reinkultur.
Die Gallische Feldwespe ist das evolutionäre Bindeglied zwischen den als Einsiedlerinnen lebenden Insekten, wie beispielsweise die Mauerbiene, und den sozialen Insekten wie Honigbiene oder Gemeine Wespe. Mehrere befruchtete Weibchen zusammen bauen gemeinsam an einem Nest. Jeweils die stärkste von ihnen übernimmt die Rolle der Königin. Sie allein legt Eier in die Waben und die anderen Weibchen helfen ihr bei der Aufzucht.
Das geht so lange gut, bis die amtierende Königin herausgefordert wird. Verliert sie den Kampf, muss sie ihre Krone abgeben und fortan ein Leben als einfache Arbeiterin fristen. Die neue Königin hat nun das Privileg, als einzige Eier zu legen, bis sie wiederum von einem anderen Weibchen abgelöst wird. Was diese Insekten also zusammen hält, ist nicht das gemeinsame Ziel, sondern die egoistische Aussicht auf die Krone – die Hoffung einmal im Leben ganz oben stehen zu können.
Und je egoistischer ein Weibchen zu Werke geht, desto eher erreicht es dieses Ziel. Denn die besten Chancen haben diejenigen Weibchen, die im Frühling erst einmal faulenzen und gar nichts tun. Das spart viel Mühe und schont die eigenen Energiereserven.
Etwas später im Jahr lassen sich diese kraftstrotzenden Spätsünderinnen von einem Staat aufnehmen. Dort spielen sie für einige Zeit die «brave Arbeiterin». Das machen sie so lange, bis sie sich genug Fett angefressen haben und ihre Eierstöcke bereit zur Eiablage sind. Auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Stärke schlagen sie zu und übernehmen das ganze Nest. So egoistisch ist der Beginn des Sozialstaats.

Samstag, 10. September 2011

Der Fliegentöterpilz

Der Pilz hat die Fliege von innen aufgefressen. Danach ist
er zurück an die Oberfläche gekommen, um seine
Sporen abzuschiessen. Sie sind deutlich als Hof erkennbar.
Irgendwo zwischen Esstisch und Fensterbrett muss es passiert sein. Eine Pilzspore heftete sich unbemerkt an die Füsse oder Beine der Fliege. Als sie sich etwas später putzte, hat sie die Spore womöglich unabsichtlich auf ihren Unterleib befördert. Dort sind die Ausgangsbedingungen ideal, weil an dieser Stelle die Haut nicht sehr dick ist. Aus der Spore begann ein Schlauch zu wachsen, der sich schnurstracks daran machte, sich einen Weg in den Körper zu bahnen.
Die Fliege kümmerte das zu diesem Zeitpunkt noch nicht gross. Sie ist zurück zum Esstisch geflogen und hat sich wieder den roten Tupfern zugewendet – Überreste der Spaghetti mit Tomatensauce. Sie ahnte nicht, dass das ihr letztes Mal sein sollte. In ihrem Körper wucherte bereits der Tod.
Als der Pilzschlauch die Aussenhülle durchdrungen hatte, bildete er unzählige Verästelungen wie die Wurzeln einer Pflanze. Bald waren es Hunderte und Tausende von Pilzfäden, die wie eine lebende Lawine den inneren Organen der Fliege entgegenstrebten. Das Immunsystem des armen Insekts hatte keine Chance. Der Pilz überrannte jede einzelne Zelle und frass sie auf.
Die Sporen fliegen bis zu drei Zentimeter weit. Sie sind
sehr klebrig und haften darum sogar auf Glas.
Inzwischen hat sich die Fliege auf dem Fenster niedergelassen. Spätestens jetzt muss sie gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Sie blieb eine weile reglos sitzen und wollte dann ihren Motor anwerfen, um nochmals rüber zur Tomatensauce zu surren. Aber ihre Flügelmuskulatur versagte. Der Pilz hat bereits ihre Nervenbahnen gekappt. Nichts ging mehr. Bald würde er auch ihr Gehirn erreicht und ihrem Leiden ein Ende bereiten.
Fliegentöterpilze bereiten ihren Opfern einen ziemlich unschönen Abgang. Aber viel schlimmer als das ist die Demütigung, die nach dem Tod kommt. Diese Pilze missbrauchen die leblose Hülle als Abschussrampe für ihre Sporen. So gesehen hilft die Fliege ihrem Peiniger noch über den Tod hinaus beim Verbreiten seiner Verderben bringenden Saat. 
Dazu wächst der Pilz aus der Fliege heraus. Auf diese Weise bedeckt bald ein weisser Teppich ihren Körper. Jede seiner Fasern ist ein Pilzfaden, auf dessen Ende sich eine Spore befindet. Der Druck im Faden ist so gross, dass die Spore irgendwann in hohem Bogen wegkatapultiert wird. So legen sie eine Distanz von bis zu drei Zentimeter zurück. Nach einer Weile zeichnet der kontinuierliche Sporenregen einen deutlichen Hof um die tote Fliege. Eine Warnung für alle noch Lebenden, bloss nicht zu nahe zu kommen.

Donnerstag, 1. September 2011

De Foifer und s'Wäspi

Auf dem Bild sieht man 21 Münzen. Wo ist die 22.?
So viele Wespen wie es gibt, so viele Mythen gibt es über sie. Die meisten von ihnen handeln davon, wie man diese Insekten loswird. Meine Lieblings-Theorie ist folgende: Legt man kupferhaltige Münzen auf den Tisch, nehmen die Wespen Reissaus. Auf dem Internet findet man dazu verschiedene Erklärungen. Eine besagt etwa, dass die Wespen durch das Kupfer geblendet werden und so die Orientierung verlieren. Eine andere, dass sich das Kupfer in der Sonne erwärmt und dadurch unangenehm für die Wespen zu riechen beginnt.
Ich mache also einen Test. Auf den Gartentisch lege ich 22 Fünfrappenstücke. Sie bestehen zu 92 Prozent aus Kupfer. In die Mitte kommt ein Schnapsglas voll mit süssem Apfelsaft und eine halbe Zwetschge. Die Sonne scheint. Ich warte. Nach wenigen Minuten brummt schon die erste Wespe heran. Einige Schleifen später, lässt sie sich auf dem Rand des Glases nieder und streckt ihren Kopf der zuckerhaltigen Flüssigkeit entgegen.
Bereits jetzt scheint das Resultat eindeutig zu sein. Doch um ganz sicher zu gehen, lasse ich den Dingen für eine Weile ihren Lauf. Als ich nach zwei Stunden wieder vorbeischaue, schwimmen drei tote Wespen im Apfelsaft und eine weitere ist gerade dabei, sich den Magen vollzuschlagen. Als sie abfliegt, kommt auch schon die nächste herbei und als diese zum bersten gefüllt davonschwirrt, ist wieder eine neue zur Stelle. So steht das Glas fast nie allein.
Fazit: Selbst 22 Fünfrappenstücke setzen der Gier der Wespen nach Zucker nichts entgegen. Obwohl das keine wissenschaftliche Studie ist (die macht vielleicht irgendwann mal eine Uni), kann man die Mär von den Kupfermünzen wohl mit gutem Gewissen unter «Irrtümer aus dem Insektenreich» ablegen.

Mittwoch, 24. August 2011

Vespa interruptus

Das Männchen (rechts) liebkost mit seinen Beinen das
Weibchen. Eine falsche Berührung und es wird von der
Angebeteten gefressen.
Ein Kreuzspinnenmännchen darf sich bei der Paarung keinen Fehltritt erlauben. Es ist wesentlich kleiner als das Weibchen und hätte keine Chance, wenn seine Angebetete ihn plötzlich für eine Zwischenverpflegung halten würde. Das Problem ist, dass das Männchen für die Paarung das Netz des Weibchens betreten muss. Das verursacht unweigerlich Vibrationen, die denen einer zappelnden Fliege nicht unähnlich sind.
Wegen dieser frappanten Gefahr hat das Männchen, das mitnichten als Snack enden möchte, eine Technik entwickelt, um sich seiner Angebeteten relativ gefahrlos nähern zu können. Zuerst spinnt es eine Sicherheitsleine, die es irgendwo ausserhalb des Netzes festmacht. Falls während der Paarung irgend etwas schief geht, kann es sich einfach fallen lassen und hängt dann wohlbehütet in der Luft.
Die zweite Vorsichtsmassnahme betrifft die Vibrationen selbst. Sobald das Männchen das Netz berührt, beginnt es mit seinen Vorderbeinen in einem regelmässigen Takt an den Fäden zu zupfen. Es sieht fast so aus, als würde es Harfe spielen. Tatsächlich scheinen diese Vibrationen das Weibchen zu beruhigen und das Jagdfieber in ihr zu unterdrücken. Es bleibt ruhig sitzen und lässt das Männchen gewähren.
Oh je! Eine Vespe bereitet dem Liebesspiel ein jähes Ende.
Fressen ist eben doch wichtiger als Sex.
Nach vielen Minuten hat es sich endlich bis zu seiner haarigen Frau vorgearbeitet und liebkost nun ebenso behutsam ihre Beine, indem er diese immer wieder streichelt und abtastet. Spinnenfrauen sind jedoch nicht so leicht in Stimmung zu versetzen. Nach einer Weile muckst sie kurz auf und erschrickt dabei das Männchen fast zu Tode. Es ergreift sofort seiner Sicherheitsleine folgend die Flucht.
Der Schreck ist aber schnell überwunden und so nimmt es todesmutig einen zweiten Anlauf. Auf diese Weise kann der ganze Prozess Stunden dauern bis es endlich zur ersehnten Paarung kommt. Heute hat das Männchen allerdings Pech. Denn just als es zum zweiten Mal beim Weibchen angelangt ist, fliegt eine Wespe ins Netz. Vergessen ist das Vorspiel und das Weibchen stürzt sich sofort auf die fette Beute. Fassungslos beobachtet das Männchen, wie seine Prinzessin die Wespe einwickelt und sich dann in eine stille Ecke zurückzieht, um ihren Happen in Ruhe auszusaugen. Sichtlich betrübt schleicht das Männchen der Sicherheitsleine entlang aus dem Netz.

Dienstag, 16. August 2011

Das soziale Netz

Das Wasser aus dem Dachengel hat den Boden
weggewaschen. Zum Vorschein kommt das gartenweite
Wurzelnetzwerk.
Ein überlaufender Dachengel eröffnet einem manchmal einen seltenen Blick ins Erdreich. Der kleine Wasserfall, der sich gleich neben der Hausecke ergoss, hat den Boden auf einer postkartengrossen Fläche weggespült. Statt eines Lochs finde ich dort nun ein dichtes Geflecht von Wurzeln, die von den umliegenden Bäumen und Sträuchern stammen. Bestimmt sind drei oder vier verschiedene Pflanzenarten vertreten.
Das zeigt, wie weit die Wurzeln sich in der Horizontalen ausbreiten. Mein gesamter Garten ist wohl mit einer solchen Wurzelschicht durchwachsen. Aber noch viel erstaunlicher ist, dass die Wurzeln untereinander Nährstoffe austauschen. Das gelingt ihnen mit der Hilfe von Pilzen. Auch sie produzieren eine Art von Wurzeln, Mycel genannt, das den gesamten Erdboden durchwuchert. Die Pilzfäden docken an den verschiedenen Pflanzenwurzeln an und saugen Zuckerlösung aus ihnen heraus. Diese verwenden die Pilze einerseits für ihr eigens Wachstum, andererseits geben sie den kostbaren Saft an benachbarte Pflanzen ab.

Der Kinofilm Avatar zeigt eine Welt, in der alle Lebewesen
durch ein feines Netz von Fäden miteinander verbunden
sind. Genau so, wie in meinem Garten.
Das unterirdische Pilz-Pflanzen-Netzwerk erstreckt sich nicht nur in meinem Garten. Man findet es in jedem Wald und auf jeder Wiese. In der Tat kommt es überall dort vor, wo Vegetation die Erde bedeckt. Es ist ein weltweites Netz, dessen Ziel es ist, Nährstoffe untereinander auszutauschen. Forscher vermuten, dass auf diese Weise auch schwächere Pflanzen an Orten überleben können, wo sie eigentlich aufgrund des Lichtmangels oder der Ressourcenknappheit eingehen müssten. Doch angedockt an das Nährstoff-Netz bleiben sie am Leben.
Für einmal zeigt sich die Natur nicht als Bestie, welche die Lebewesen zu einem ständigen Kampf ums Überleben zwingt, sondern als hypersoziales Wesen, das sich um jedes ihrer Kreationen liebevoll kümmert.
Eine ähnliche Vision hatten die Macher des Kinofilms Avatar. Sie erschufen eine Welt, die von einem intelligenten Wesen durchdrungen ist. Die Nervenbahnen dieser Kreatur sehen ganz ähnlich aus wie die Pilzfäden, die in meinem Garten die Zeder mit dem Kirschlorbeer verbinden.

Montag, 8. August 2011

Moskitoküste

Diese Mückenlarve sucht nach winzigen Schwebeteilchen
und mikroskopisch kleinen Tieren, die sie mit ihrem
Maul aufsaugt.
Die Stechmücken sind gerade wieder eine echte Plage. Obwohl unser Haus zwei Kilometer vom nächsten See entfernt liegt, wimmelt es bei uns nur so von den kleinen Biestern. Aber die Distanz zum nächsten grösseren Gewässer hat nicht unbedingt etwas mit der Konzentration der Stechmücken im eigenen Haus zu tun. Die hängt vielmehr mit der Anzahl Vogeltränken im Garten zusammen.
Bei uns gibt es drei Stück davon. Bei genauerer Inspektion stelle ich fest, dass sie mit mehr als nur mit Wasser gefüllt sind. Sie beinhalten ein ganzes Ökosystem. Da gibt es Algen, verrottete Blätter und kleine Würmchen, die sich durch die Blätter fressen. Und man ahnt es: Dutzende von Mückelarven zucken durch die Brühe.
Für sie reicht eine solch kleine Wassermenge vollkommen aus. Hier gibt es alles, was sie benötigen, um sich in drei Wochen zu einer ausgewachsenen Mücke zu entwickeln. In den kleinen Pfützen ist es angenehm warm und es gibt viel Licht. Das fördert nicht nur das Wachstum der Mückenlarven, sondern auch das ihrer Nahrung. Algen gedeihen prächtig und wachsen ihnen praktisch ins Maul. Zudem haben die häufigen Regengüsse der letzten Wochen dafür gesorgt, dass dieser winzige Lebensraum nie austrocknet. Gut für die Mücken, schlecht für mich.
Mückenlarven können nicht unter Wasser atmen. Dazu müssen
sie sich mit ihrem Hinterteil an die Wasseroberfläche hängen.
Dort gibt es bei ihnen statt des Afters ein Atemloch.
Wenigstens machen uns die Biester hierzulande nicht krank. In den Tropen und Subtropen ist das anders. Dort übertragen die Insekten Malaria und andere gefährliche Seuchen. Jede Art von Pfütze wird zu einem ernsthaften Gesundheitsrisiko. Hundetränken, Unterteller von Pflanzen, Kinderspielsachen, alte Autoreifen oder Schubkarren können die Brutstätten von Tausenden von Mücken sein und das gleich vor der Haustür.
Eine chinesische Studie zeigte, dass jeder Deziliter Wasser durchschnittlich einhundert Mückenlarven beherbergt. So können in einem kleinen Areal je nach Häufigkeit der Pfützen täglich Tausende bis Hunderttausende neue Mücken schlüpfen. Die Gegenmassnahme ist theoretisch ganz einfach. Man braucht nur das Wasser auszuleeren. Fragt sich nur, wo es im Garten neben den Vogeltränken sonst noch versteckte Kleinst-Tümpel gibt.

Samstag, 30. Juli 2011

Fenster in die Kinderstube

Eine einzelne Brutzelle der Roten
Mauerbiene. Unten ein Berg Pollen,
oben die Made.
Hier eine neue Regel für den Garten: Fenster, die man nur sehr selten öffnet, öffnet man am besten gar nicht. Sonst ist die Gefahr gross, dass man das Kinderzimmer einer Wildbiene zerstört. Das ist mir vor einigen Wochen passiert, als ich seit langem wieder einmal das Eckfenster in der Stube aufmachte. Zu meinem Erstaunen rieselten getrockneter Schlamm und ein gelbes Pulver danieder. Ihr Ursprung war die Innenseite des Fensterrahmens. Dort hat eine Rote Mauerbiene ihre Brutzellen hineingebaut. Sie hat sich offenbar einen Weg durch die Fensterdichtung gebahnt und sich dann im engen Spalt zwischen Fenster und Rahmen eingenistet.
Eine der Brutzellen war nach meinem unsanften Eindringen noch intakt und bot einen seltenen Einblick in die Kinderstube der Roten Mauerbiene. Normalerweise nistet sie in hohlen Pflanzenstängeln oder alten Baumstämmen, die das Nest sicher vor neugierigen Blicken schützen. 
Aber für einmal liegt ihr Geheimnis offen vor mir. Ihr Bauplan ist ziemlich einfach: Hintereinander legt sie eine Brutzelle nach der anderen an. Jede von ihnen füllt die Mutter mit einem grossen Vorrat an Pollen, auf den sie ein einziges Ei legt. Danach mauert sie ihr Ungeborenes ein und beginnt mit dem Bau der nächsten Zelle. Sie sieht ihren Nachwuchs nie mehr wieder, da sie selbst nach getaner Arbeit stirbt.
Aus dem Ei schlüpft eine Made, sie sich sogleich über den Pollenberg hermacht. Interessant ist, dass sie während ihrer ganzen Entwicklungszeit keinen Schluck Wasser zu sich nimmt. Vielleicht gibt es in den Pollen ja genug Feuchtigkeit, um ihren Durst zu befriedigen? Oder die Mutter hat ihr ein wenig Speichel unter den Pollen gemischt? Möglich wär’s.
Denn die Mauerbienen gehen mit sehr viel Köpfchen ans Werk. Das ganze Nest besitzt nur einen einzigen Ausgang, nämlich vorne. Das heisst, wenn die Bienen aus den hintersten Kammern schlüpfen, müssen die vorderen Kammern bereits leer sein, sonst zerstören sie die Brut bei ihrem Versuch, sich an das Tageslicht durchzugraben. Aber zum Glück hat die Mutter vorgesorgt. In die hintersten Kammern legt sie nur befruchtete Eier. Aus ihnen entwickeln sich die Weibchen. In die vorderen Kammern legt sie ausschliesslich unbefruchtete Eier, die zu Männchen werden. Letztere entwickeln sich schneller und schlüpfen darum immer zuerst. Die Weibchen haben also immer freie Bahn.

Samstag, 23. Juli 2011

Verräterische Höschenfarbe

Diese Hummel sammelt den blauen Pollen der
Samt-Hortensie. Sie packt ihn an ihre Hinterbeine und
bekommt so ein «Höschen».
Hummeln und Bienen sind gerade überglücklich. Die Samt-Hortensie blüht und liefert reichlich Nektar und Pollen. Die kleinen Sammler stürzen sich Kopfüber in die Blüten. Aber sie schlagen sich nicht an Ort und Stelle den Bauch voll, sondern sammeln in erster Linie für ihr Volk. Denn in den Waben zurück im Stock warten hungrige Larven auf Nachschub. 
Sowohl Hummeln als auch Bienen transportieren die wertvolle Fracht auf ihren Hinterbeinen. Dazu vermischen sie den Pollen mit Speichel und kleben ihn an einer Stelle mit besonders langer Beinbehaarung fest. Mit der Zeit bildet sich dort ein ordentlicher Haufen und es sieht aus, als ob sie ein Höschen tragen würden.
Die Farbe ist meistens ein Gelbton. Nicht aber bei der Samt-Hortensie. Ihr Pollen ist blau. Und genau diese Farbe hat auch ihr Höschen. Es sieht schon fast giftig aus, was da an den Hummeln klebt. Aber offenbar ist der blaue Pollen für die Larven ein Hochgenuss.
Diese Hummel hat zuvor an von einer anderen Pflanze mit
orangem Pollen gesammelt. Ihr Höschen ist darum zweifarbig.
Während des Jahres fressen sie sich durch das ganze Farbspektrum. Bei Haselnuss ist der Pollen schwefelgelben, bei der Himbeere hellgrau, beim Klee dunkelbraun und bei der Königskerze rot. Blauer pollen ist eher selten und kommt etwa bei Meerzwiebeln oder Weidenröschen vor.
Dem Imker sagt die Farbe des Pollen-Höschens viel über die gegenwärtige Futterversorgung seines Volkes aus. Er kann abschätzen, welche Pflanzen die Bienen gerade anfliegen. Ist das Höschen in Frühling orangerot, sammeln die Bienen vor allem auf Schneeglöckchen. Ist es im Juni weissgelb, so sammeln sie auf Sommerlinde oder Scheebeere.
Da der Nährwert jedes Pollens unterschiedlich ist, weiss der Imker, ob ein Volk genug Kalorien pro Tag in den Stock zurückbringt, um das weitere Wachstum des Volkes zu gewährleisten. Denn nur grosse Völker produzieren auch viel Honig.
Falls die Pollenqualität und die zurückgebrachte Menge nicht mehr ausreichen, um alle satt zu machen, stellt der Imker Zucker bereit. Mit den zusätzlichen Kalorien kann das Bevölkerungswachstum ungehindert weiter gehen. Wenn dann der Raps zu blühen beginnt, ist die Flaute überwunden. Das sieht der Imker an den zitronengelben Höschen seiner Bienen.

Samstag, 16. Juli 2011

Die Wucher-Erbse

Die Robinie in meinem Garten ist in
50 Jahren zu einem riesigen Baum
gewachsen.
Manche Pflanzen haben nur eine oder zwei besondere Fähigkeiten, die sie dazu prädestinieren, eine invasive Art zu werden. Es gibt aber auch solche, die mit so vielen verschiedenen Gaben ausgestattet sind, dass sie die Bezeichnung super-invasive Art verdienen. Eine davon ist die Robinie.
Ihre ersten Samen kamen 1601 per Post von Nordamerika an einen botanischen Garten in Frankreich. Seither hat sich die Pflanze wegen ihres schnellen Wuchses und ihren duftenden, üppigen Blüten zu einem Liebling von Landschaftsgestaltern und Gärtnern entwickelt – und zu einem Alptraum für die Natur. Die Robinie ist eine so genannten Pionierpflanze. Das heisst, wo immer es einen Waldbrand gibt, einen Erdrutsch oder ein Sturm, der den ursprünglichen Wald flach legt, fasst die Robinie Fuss und wächst wie der Teufel.
Der Baum wird in wenigen Jahren zwanzig Meter hoch. Noch bevor er selbst Samen produziert, vermehrt er sich über Wurzelausläufer. Allenthalben um den Mutterbaum herum schiessen kleine Bäumchen hoch und verwandeln die Landschaft in ein Robiniendickicht. Andere Pflanzen müssen sich für etwas Sonnenlicht erst einmal hinten anstellen.
Die Wurzeln sind überhaupt die Hauptursache für ihren Erfolg. Sie gräbt sie tief hinunter ins Erdreich in Schichten, wo es auch in trockenen Gebieten immer Wasser gibt. Diese Pflanze kennt keinen Durst. Und keinen Hunger. Die Robinie gehört zu den Schmetterlingsblütlern und ist damit nahe verwandt mit der Erbse. Genau wie bei ihr hausen auf ihren Wurzeln Knöllchenbakterien, die den Luftstickstoff binden und ihn der Pflanze zur Verfügung stellen. Dünger braucht die Robinie keinen, denn sie stellt ihn gleich selbst her. Dazu kommt, dass der ganze Baum äusserst giftig ist. Das schützt ihn vor Pilzbefall und Insektenfrass. Er hat somit keine natürlichen Feinde.
Ihr einziger Schwachpunkt ist ihre grosse Abhängigkeit vom Licht. Ihre Samen keimen nur auf offenem Gelände. In einem Wald haben sie keine Chance. Zudem ist ihre Lebenszeit auf mickrige 200 Jahre beschränkt. Wenn auch das nur ein kleiner Trost ist, denn in dieser Zeit hat eine einzige Pflanze längst einen ganzen Wald hervorgebracht.

Donnerstag, 7. Juli 2011

Exportierte Invasoren

Die Wespen haben sich unter meinem Vordach eingenistet.
In der Sommerhitze verschaffen die Arbeiterinnen dem Nest
Kühlung, indem sie vor dem Eingang mit ihren Flügeln
schlagen und so frische Luft in das Nest strömen lassen.
Wenn wir von invasiven Arten sprechen, dann meinen wir die Tiere und Pflanzen, die von Asien oder Amerika nach Europa gekommen sind und sich hier auf kosten der heimischen Biodiversität ausbreiten. Das ist jedoch eine sehr egozentrische Weltsicht. Denn auch Europa ist ein Ursprungsgebiet für invasive Arten anderswo in der Welt.
Ein Beispiel ist die Gemeine Wespe (Vespula vulgaris). Sie hat sich mit dem Menschen rund um den Globus verbreitet und erreicht an manchen Orten beängstigende Bevölkerungsdichten. Ein Beispiel ist Neuseeland. Die Gemeine Wespe kam 1978 auf die Inseln und verbreitete sich rasant. Die Scheinbuchenwälder (Nothofagus) haben es ihnen besonders angetan. Auf den Stämmen dieser Bäume leben kleine Insekten, die den Zuckersaft in den Leiterbahnen unter der Rinde trinken. Einen grossen Teil davon scheiden sie als Zuckertröpfen aus. Viele Insekten ernähren sich von ihnen und domestizierte Honigbienen sammeln die Tröpfchen und machen daraus Waldhonig.
Aber auch die eingeführten Wespen laben sich am Waldzucker. Der bekommt ihnen so gut, dass unheimlich viele Wespen in solchen Wäldern zu finden sind. Forscher haben pro Hektare bis zu 3,7 Kilogramm Wespen registriert. Das sind über zehntausend Arbeiterinnen oder über dreissig Nester pro Hektare.
Im Vergleich dazu gibt es eine Biomasse von nur 900 Gramm Nagetiere pro Hektare Wald. Und die Vögel sind mit lächerlichen 200 Gramm vertreten. Die Wespen sind also die neuen Herrscher der Scheinbuchenwälder. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zur heimischen Fauna. Denn Wespen lecken den Vögeln und Insekten nicht nur den Zucker vor der Nase weg – sie jagen auch die Insekten selbst und schmälern so das Nahrungsangebot für ihre gefiederten Nachbarn zusätzlich.

Mittwoch, 29. Juni 2011

Die Super-Machos

Ein Libellen-Pärchen macht Rast in meinem Auto. Beim
Weiterflug prallte das Männchen (oben) gegen
die Windschutzscheibe.
Bei keinem anderen Insekt üben die Männchen bei der Paarung so viel Kontrolle aus wie bei den Libellen. Man könnte sie die Super-Machos der Insektenwelt nennen. Und ich meine damit nicht, dass Libellenmännchen ihr Territorium gegen Nebenbuhler verteidigen und darauf warten, dass ein Weibchen zu ihnen kommt (er würde nie zu ihr fliegen) – diese Sitten herrschen bei den meisten Tieren. Ich meine das, was nach dem ersten Flirt kommt.
Haben sich zwei gefunden, dann packt das Männchen mit speziellen Greifzangen am Ende seines Schwanzes das Weibchen im Nacken und lässt es bis auf weiteres nicht mehr los. Sie ist nunmehr an ihn gebunden, ob sie will oder nicht. Für ihn hat das natürlich einen grossen Vorteil. Kein anderes Männchen kann ihm seine Angebetete abspenstig machen. Egal ob ein Johnny Depp oder ein Robert De Niro der Libellenwelt gerade vorbeifliegen – das Weibchen bleibt bei ihrem Mann, fest im Griff seiner Zange.
Die darauf folgende Paarung ist etwas kompliziert. Das hat damit zu tun, dass Hoden und Penis bei den Libellen nicht am selben Fleck sitzen. Der Samen wird im Schwanzende produziert, der Penis jedoch befindet sich etwa in der Körpermitte. Zudem sind die beiden Organe nicht wie bei uns Menschen mit einem Schlauch miteinander verbunden. Das heisst, bevor es zur Sache gehen kann, beugt das Männchen sein Schwanzende samt dranhängendem Weibchen zu seinem Penis und befüllt diesen mit Samen. Damit ist die Pistole geladen.
Aber eben, für Machos ist Sex nicht einfach nur Sex. Bei ihnen geht es immer um Dominanz und um absolute Kontrolle. Wenn das Weibchen ihre Genitalien zum Penis des Männchens führt, legt dieses nicht sogleich los, sondern kratzt zuerst gründlich das Sperma vom letzten Liebhaber aus der Geschlechtsöffnung des Weibchens. Nur so kann es sicher sein, dass die Eier ausschliesslich mit seinem Samen befruchtet werden.
Nach der Kopulation ist das Weibchen keineswegs frei zu gehen. Das Männchen hält es nach wie vor fest im Griff und führt es nun zu einem Teich oder Fluss, wo die Eiablage stattfindet. Wohlgemerkt, das Männchen entscheidet, wo gelegt wird. Dazu fliegt es dicht über der Wasseroberfläche und zwingt das Weibchen dazu ihr Hinterteil einzutauchen und die Eier abzulegen. Immerhin kann sie hierbei noch ein wenig mitentscheiden. Falls ihr das Gewässer nicht zusagt, hebt sie ihren Schwanz an und signalisiert so ihrem Macho, dass sie woanders legen möchte.
Vielleicht haben die Weibchen ja doch die heimliche Kontrolle über ihre Männer? Die sind nämlich auch nicht immer ganz so unantastbar, wie sie sich geben. Vor ein paar Tagen ist ein Pärchen durch das offene Fenster in mein Auto geflogen. Auf dem Armaturenbrett gab es einen Zwischenhalt. Doch beim Weiterflug prallte das Männchen in die Windschutzscheibe und geriet in Panik. Und siehe da: im Schockzustand liess es das Weibchen los und suchte das Weite. Vielleicht war das gut für sie, denn wer möchte schon mit einem solchen Hasenfuss ins Bett?

Dienstag, 21. Juni 2011

Fungitarier

Die Holzdübel sind vom Myzel
des Austernpilzes durchwachsen.
Kühe essen unsere Welt kaputt. Mit diesem Satz machen Vegetarier uns Fleischessern oft ein schlechtes Gewissen. Aber im Grunde haben sie Recht. Damit eine Kuh ein Kilogramm Fleisch zulegen kann, muss sie das Zehnfache an Pflanzenmaterial zu sich nehmen. Das heisst in jedem 500 Gramm schweren, saftigen Steak stecken 5 Kilogramm Gras und Sojabohnen. Die müssen irgendwo angebaut werden und weil es immer mehr Fleischesser gibt, werden immer mehr Regenwälder gerodet, um den Sojafeldern oder den Wiesen Platz zu machen.
Um die Welt vor dem Untergang zu retten, können wir natürlich ganz einfach auf Fleisch verzichten. Aber das ist ja dann doch etwas langweilig für anspruchsvolle Gaumen. Aber ein etwas interessanterer Ersatz für die Kuh könnten Pilze sein. Aus denen lassen sich sogar fleischähnliche Produkte wie Würste oder Schnitzel herstellen. Und sie haben noch einen weiteren Vorteil.
Löcher in den Stamm bohren
und Dübel einschlagen.
Sie sind viel effizienter als eine Kuh – sehr viel effizienter. Austernpilze beispielsweise ernähren sich von Holz. Dabei entsteht aus jedem Gramm Holz ein Gramm Austernpilz. Oder anders gesagt: Die Austernpilze wandeln ihre Nahrung zu 100 Prozent in eigenes Gewebe um. Das heisst, aus einem Holzklotz von 10 Kilogramm gewinnt man 10 Kilogramm Pilze. Das ist eine riesige Menge.
Um die Welt zu retten, müssen wir Fleischesser also nicht gleich zum Vegetarier absteigen, sondern können beim «Fungitarier» halt machen. Ist unser Ernährungsproblem damit gelöst? Nicht ganz. Denn Pilze sind zwar sehr effizient, aber nicht gerade nahrhaft.
Ein Kilo Austernpilze hat lediglich 200 Kilokalorien. Der durchschnittliche Tagesbedarf liegt bei 2 400 Kilokalorien. Das heisst, ich muss pro Tag 12 Kilo Austernpilze essen, wenn ich satt werden will. Hochgerechnet auf die gesamte Schweizer Bevölkerung macht das 35 Millionen Tonnen Austernpilze pro Jahr.
Um diese unvorstellbare Menge heranzuziehen brauchen wir genauso viel Holz. Haben wir das? Der Schweizer Wald legt jährlich 10 Millionen Kubikmeter Holz zu. Das sind etwa 8 Millionen Tonnen also etwa ein Viertel dessen, was wir benötigen würden.
Wir sehen also: Wenn unsere Ernährung nachhaltig sein soll, dann sind auch die Pilze keine Lösung. Das soll euch aber nicht davon abhalten, in eurem Garten ein paar Austernpilze zu züchten.

Stamm 20 bis 30 Zentimeter tief
im Garten eingraben.


Hier der letzte Teil der Anleitung (erster Teil / zweiter Teil):

1. Besorgt euch von einem Bauern ein paar ein Meter lange, frische Baumstämme. Der Durchmesser ist egal.
2. Mit einer Bohrmaschine Löcher in den Baumstamm vom gleichen Durchmesser wie die Dübel bohren. In den unteren 20 Zentimeter des Stamms keine Löcher bohren (dieser Teil kommt in die Erde).
3. Die Dübel, die inzwischen vom Pilzmyzel durchwachsen sind, mit einem Hammer in die Löcher schlagen. Pro Baumstamm habe ich 40 Dübel verwendet.
4. Den Stamm an einem schattigen Ort im Garten etwa 20 bis 30 Zentimeter tief in die Erde eingraben. Bei warmem Wetter gelegentlich etwas mit Wasser übergiessen.
5. Sobald das Myzel den gesamten Stamm durchwachsen hat, spriessen die Fruchtkörper aus dem Holz hervor. Ein dicker Buchenstamm sorgt so mehrere Jahre lang für eine gute Pilzernte.

Mittwoch, 15. Juni 2011

Der Vampir-Pilz

Mehltau auf der Zierdistel. Wie ein Vampir saugt er das
Blatt aus.
Eine nasse Badezimmerwand, ein feuchtwarmes Schuhklima und ein Stück Holz auf dem Waldboden haben eines gemeinsam: sie fördern das Pilzwachstum. Diese Lebewesen lieben die Feuchtigkeit. Kein Wunder wachsen viele Pilze bevorzugt unter der Erde, denn dort trocknen sie garantiert nie aus.
Aber es gibt auch die anderen. Pilze, die sich in aller Öffentlichkeit zeigen, und selbst unter der brennenden Sonne hervorragend gedeihen. Zu diesen Sonderlingen gehört der Mehltau. Er liebt das warme, trockene Wetter, das es diesen Frühling ohne Ende gab. Das Resultat ist nun auf einigen meiner Gartenpflanzen sichtbar. Meine Zierdisteln hat es besonders schwer getroffen. Ihre Blätter sind vom Pilzbewuchs schneeweiss.
Die benachbarte Kugeldistel braucht sich
vor einer Infektion nicht zu fürchten.
Jede Mehltauart geht nur auf eine
bestimmte Pflanzenart.
Der Mehltau verdankt sein üppiges Wachstum in der Frühlingshitze einem Trick. Denn auch er liebt im Grunde seines Wesens die Feuchtigkeit. Doch statt sich selbst zu ihr zu begeben, lässt er sie zu sich kommen. Wenn eine seiner Sporen auf das Blatt einer Pflanze fällt, beginnt ein kleiner Schlauch aus ihr herauszuwachsen. Berührt seine Spitze die Blattzellen, bildet sie eine Art Saugnapf aus, der sich fest mit der Oberfläche verbindet.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Wasser noch in weiter Ferne. Die Oberflächen von Blättern sind meist mit einer dünnen Wachsschicht überzogen. Da bleibt kein Tropfen Feuchtigkeit hängen. Aber unter der Wachsschicht im Innern der Blattzellen, gibt es Feuchtigkeit in Hülle und Fülle. Dorthin will der Pilz.
Dazu treibt er unter dem Saugnapf eine Art Bohrer aus, mit dem er sich nun langsam einen Weg in das Innere der Blattzellen bahnt. Das ist nicht einfach. Pflanzen haben viele Strategien zur Abwehr von solchen Attacken entwickelt. Sie produzieren zum Beispiel Chemikalien, um Pilze unschädlich zu machen. Diese Mittel sind so effektiv, dass in der Tat viele Pilze keine Chance haben, in das Innere einer Pflanze vorzudringen. Doch beim Mehltau ist das anders.
Von ihm gibt es einige Hundert Arten und die meisten davon haben sich auf eine einzige Pflanzenart spezialisiert. Das heisst, sie haben die letzten paar Millionen Jahre damit verbracht, die Verteidigungsstrategien ihrer Zielpflanze zu umgehen. Darum muss ich mir keine Sorgen machen, dass der Mehltau auf meine Tomaten überspringt. Seine Tricks funktionieren nur bei der Zierdistel.
Wenn der Bohrer erst einmal in der Blattzelle angelangt ist, hat der Pilz gewonnen. Fortan entzieht er der Pflanze die Nährstoffe und Feuchtigkeit, die er zum Leben braucht. Wie ein Vampir saugt er die Blätter aus. Viele Nutzpflanzen wie Weizen oder Weinreben (sie haben ihre eigenen Mehltauarten) vertragen das nicht und sterben ab, oder werfen zumindest ihr Laub ab.
Aber Mehltau ist nicht nur ein Schädling. Der Zweiundzwanzigpunkt-Marienkäfer ernährt sich ausschliesslich von ihm. Darum lasse ich meine verpilzten Disteln stehen – als Nahrungsquelle für die kleinen Insekten.

Dienstag, 7. Juni 2011

Lust auf Fleisch

Das schwimmt der Julikäfer, der letzte Woche noch fröhlich
über meinen Rasen schwirrte.
Früher, als noch echte Wanderer und Landstreicher durch Europa zogen, brauchte man sich über den nächsten Schluck Wasser keine Gedanken zu machen. Allenthalben wuchsen Karden an den Wegrändern, Äckern und Böschungen. Die Landwirtschaft nahm es zu jener Zeit noch viel gemütlicher als heute, setzte weniger Dünger ein und Pestizide gab es auch noch keine. Ideale Bedingungen für Unkräuter wie die Karde eben.
Diese Pflanze hat die Besonderheit, dass ihre Blätter immer paarweise aus dem Stengel wachsen. An ihrem Grund bilden sie eine Art Schale, in der sich das Regenwasser sammelt. Wenn also der Durst über den Wanderer kommt, braucht er seinen Mund nur an dieses Reservoir zu führen und die Karde dabei etwas vorzuneigen.
In meinem Garten wachsen auch einige dieser eigentümlichen Pflanzen und ich wollte mich testweise an ihrem Wasserspeicher erfrischen. Doch als ich sah, was sich da alles in diesen kleinen Pfützen tummelt, ist mir der Durst vergangen. Praktisch in allen Schalen gibt es eine Ansammlung von toten Insekten. Da liegen die Leichen von den Julikäfern, den Mücken, den Rüsselkäfern und den Blattläusen. In einer strampelte eine Schlupfwespe um ihr Leben, doch sie war hoffnungslos verloren. Der Stiel, an dem sie sich hätte halten können, war viel zu rutschig.
In wenigen Wochen werden die Karden
einen solchen Blütenstand bilden. Und
bald darauf produziert sie Hunderte
von Samen. Das ist wohl auch ein
Grund, warum Bauern heute keine
grosse Freude mehr an diesen
Pflanzen haben.
In mancher Schale gab es sogar schon wieder neues Leben. Kleine Würmer ernährten sich von den hineingefallenen Insekten. Nein, dieses Wasser kann man beim besten Willen nicht trinken. Vielleicht hatten die Wanderer früher nichts anderes und waren in der Sommerhitze dankbar für jeden Tropfen Flüssigkeit.
Aber was bezweckt die Karde damit? Ist es etwa ihre Absicht, so viele tote Insekten auf ihren Blättern anzusammeln? Vielleicht. Tote Insekten sind eine andere Form von Dünger. Es könnte sein, dass die Karde einige der Nährstoffe in diesen Verwesungspfützen über ihre Blätter aufnimmt. Die extra Portion Dünger könnte sie gut gebrauchen, wächst sie doch bevorzugt an nährstoffarmen Standorten. Vielleicht ist es einer ihrer Tricks, wie sie es schafft, dort trotzdem gut zu gedeihen.
Die Karde ist möglicherweise gerade dabei, eine echte fleischfressende Pflanze zu werden. Die berühmten Kannenpflanzen von Borneo bilden spezielle Blätter, die aussehen wie Töpfchen. In ihnen befindet sich neben Wasser auch noch Verdauungsenzyme, die der Pflanze helfen, die Insekten zu zersetzen. Genau das mag der nächste Entwicklungsschritt in der Evolution der Karde sein – wenn ihre Lust auf Fleisch gross genug ist.

Montag, 30. Mai 2011

Der Lebensaufgabe entfliegen

Ein Julikäfer krabbelt gerade ein
Löwenzahnblatt empor. Es dient
ihm als Startrampe.
Gestern war der Flugraum zwanzig Zentimeter über meinem Rasen kurzfristig überlastet. Die Julikäfer sind geschlüpft und haben die Vollendung ihrer Metamorphose in einem Flugfest gefeiert. Die letzten paar Jahre verbrachten sie als Engerlinge in der Erde meines Gartens. Sie ernährten sich von Graswurzeln und haben so, ohne dass ich es merkte, das Absterben des ein oder anderen Grasbüschels verursacht. Nun haben sie ihre Puppenhülle abgestreift und sich daraufhin an die Erdoberfläche gestrampelt.
Dutzende von ihnen schwirrten am Sonntagmorgen zum Kirchengeläut aus dem Dorf zwei Handbreit über dem Rasen. Was sie damit bezweckten, ist mir nicht klar. Ihr Verhalten schien keine konkrete Absicht zu haben. Immerhin landeten einige von ihnen auf den Pfingstrosen und gruben ihre Mandibeln einige Male in die Blütenblätter. Danach flogen sie jedoch wieder ab ohne einen grösseren Schaden zurückzulassen.
Einen Tag später ist der Spuk auch schon vorbei. Heute ist von den Julikäfern nichts mehr zu sehen. Ich nehme an, sie werden sich wie ihre nahen Verwandten, die Maikäfer, an einem Waldrand niederlassen, sich noch einige Blätter ihrer Lieblingspflanze genehmigen und dann zur Paarung übergehen. Nach dem Sex haben die Männchen vermutlich nichts mehr zu melden und verenden bald. Die Weibchen hingegen suchen sich ein schönes Stück Wiese oder einen Rasen in einem Garten und legen ihrer Eier in den Boden ab. Dann haben auch sie ihre Lebensaufgabe erfüllt (man merke sich: Lebensaufgabe Männchen = Sex; Lebensaufgabe Weibchen = Kinderkriegen).
Bald darauf schlüpfen die Engerlinge und fressen sich zwei Jahre lang genug Energiereserven an, damit sie ihre wundersame Verwandlung vollziehen können. Alles in Allem sind zwei Jahre fressen doch ein ziemlich grosser Aufwand, nur damit man nach der Paarung gleich wieder abdanken kann. Vielleicht ist dieses scheinbar sinnlose Umherfliegen kurz nach dem Schlüpfen ein Ausdruck von Rebellion gegen ihren von der Natur vorgeschriebenen Lebenslauf. Sie weigern sich, umgehend ihre Lebensaufgabe in Angriff zu nehmen und gönnen sich stattdessen zuerst noch einige Freiflüge.

Dienstag, 24. Mai 2011

Babuschka Ökologie

Die grossen rechteckigen Gebilde sind Graszellen. In der
Bildmitte befinden sich zwei Spaghettis. Das sind die
Endophyten.
Babuschkas sind die wunderschönen russischen Holzpuppen, die innen hohl sind. Wenn man eine öffnet, kommt eine etwas kleinere Holzpuppe zum Vorschein und wenn man diese auch öffnet, eine noch kleinere. So geht das weiter bis am Ende neun Puppen vor einem stehen. Mit den Lebewesen meines Gartens ist das ganz ähnlich. Denn sie existieren nicht nur nebeneinander, sondern auch ineinander.
Das beste Beispiel dafür sind die so genannten «Endophyten». Dieser aus dem Griechischen stammende Fachbegriff bedeutet «in der Pflanze». Ein seltsamer Name für eine Art. Aber er ist sehr zutreffend. Endophyten sind Pilze, die zwischen den Gewebezellen von Pflanzen leben.
Von einem Pilz befallen zu sein, ist für uns Menschen keine angenehme Vorstellung. Doch Pflanzen sind sehr froh um die Gesellschaft. Zwar verzehren ihre Untermieter einen Teil ihrer Zuckerproduktion, aber sie tun das nicht ohne zu bezahlen. Als Gegenleistung für Nahrung und Obdach stellen die Endophyten eine Reihe von Chemikalien her, die sie fortan dem Zuckersaft beimischen. Vor allem die Fressfeinde der Pflanze haben keine Freude daran. Denn die Chemikalien sind giftig und verderben beispielsweise Blattläusen den Appetit.
Die Endophyten befallen auch die Samen des Grases. So
schaffen sie den Sprung auf die nächste Generation. Die roten
Gebilde sind Stärkekörner, die im Grassamen eingelagert sind.
Die Spaghettis in der Mitte sind die Endophyten.
Wenn die kleinen Insekten den vergifteten Saft saugen, gebären sie weniger Nachkommen, leben weniger lang und wachsen langsamer. Der Vertrag mit dem Pilz geht auf. Denn statt seinen Zuckersaft unkontrolliert an die Blattläuse zu verlieren, gibt es einen Bruchteil davon an seinen Partner ab, der im Gegenzug dafür sorgt, dass die lästigen Schädlinge nicht Überhand nehmen.
In manchen Gräsern produzieren die Endophyten gar so starke Gifte, dass sie sogar Schafe töten können, die auf einer befallenen Wiese weiden. Die Pilze sind in der Tat eine sehr effektive Verteidigung. Interessant ist, dass die meisten Pflanzenarten der Welt solche strategischen Partnerschaften eingehen. Offenbar ist es effizienter, wenn sie ihre chemischen Waffen «einkaufen» anstatt sie selber herzustellen.

Montag, 16. Mai 2011

Aus Blattläusen wird Erdbeerkuchen

Eine geflügelte Blattlaus auf einem
heranreifenden Apfel.
Es gibt fast keine Pflanze im Garten, die nicht von Blattläusen befallen ist. Die Gräser, der Salat, die Bohnen und sogar die Brennesseln leiden gemeinsam an den kleinen Biestern. Blattläuse tun dasselbe, was unsere Kopfläuse auch machen. Sie saugen den Saft ihres Wirts. Bei den Pflanzen ist das freilich nicht Blut, sondern der Zuckersaft, den die Blätter bei der Photosynthese produzieren, und der danach in den Leiterbahnen hinunter zu den Wurzeln fliesst. In diesen fortwährenden süssen Strom stecken die Blattläuse ihren Rüssel. Der hohe Druck, der in den Leiterbahnen herrscht, presst die Flüssigkeit in die Laus hinein, ohne dass sie noch aktiv saugen müsste. Sie lässt sich buchstäblich vollaufen.
Viele Leute ekeln sich vor Blattläusen, weil ihre kleinen, oft schwarzen Körper ganze Teppiche auf Blättern und Pflanzenstengel bilden. Das sieht schon mal nicht sehr appetitlich aus. Ganz schlimm wird es jedoch erst, wenn man versucht, die Insekten mit den Fingern abzustreifen. Viele Arten klammern sich beharrlich an ihre unerschöpfliche Nahrungsquelle und lassen auch im Angesicht eines menschlichen Zeigefingers und Daumens davon nicht ab. Eher lassen sie sich wie in einer Schrottpresse zerquetschen. Das klebrige Geschmier aus Blattlausleichen verdirbt einem vollends den Appetit.
Die Hautfarbe spielt bei den Blattläusen
keine grosse Rolle. Auf der Rose gibt
es genug Platz für alle.
Mich persönlich stören ein paar Blattläuse auf dem Salat nicht sonderlich. Eines dieser Insekten zu essen ist nicht viel anders, als in ein Salatblatt selbst zu beissen. Von ihm hat sie schliesslich alles, was sie ist. Sogar die Ausscheidungen einer Blattlaus bestehen aus reinem, pflanzlichem Zuckersaft – also nichts, was auf einem Salatteller fehl am Platz wäre. Darum halte ich mein Gemüse nur einmal kurz unter den Wasserhahn. Wer dem Wasserstrahl trotzt, landet in meinem Magen.
So wie ich denken auch die meisten Raubinsekten meines Gartens. Blattläuse sind so zahlreich und vermehren sich so schnell, dass es eine Schande wäre, sie nicht zu verspeisen. Sie stehen ganz unten in der Nahrungskette und sind eine Art Plankton des Gartens.
Sie werden von grösseren Insekten gefressen, diese wieder von grösseren und diese von Vögeln und diese von Greifvögeln. Es gibt eine unendliche Zahl solcher Nahrungsketten und alle beginnen bei der Blattlaus. Eine dieser Ketten gefällt mir besonders gut. Sie geht so: Die Larve der Schwebfliege frisst Blattläuse bis sie sich verpuppt. Wenn die Schwebfliege schlüpft, bestäubt sie viele Pflanzen, darunter die Erdbeeren. Die Erdbeeren reifen, ein Bauer kommt und pflückt sie und ein Bäcker macht daraus Erdbeerkuchen. Ich esse den Erdbeerkuchen. Genau so schmecken mir Blattläuse am besten.

Sonntag, 8. Mai 2011

Das System Waldboden

Ohne künstlichen Waldboden ist die Gartenerde
staubtrocken. Schlecht für meinen Rucola.
Das Wetter ist so trocken wie schon lange nicht mehr. Die kleineren Flüsse haben sich längst in Flurwege verwandelt. Mit einem gewissen Frust blicke ich auf meinen Rucola, der wohl schon längst erntereif wäre, wenn es nur häufiger geregnet hätte. Aber seine mickrigen Blättchen sind nicht der Rede wert.
Giessen bringt auch nicht viel, denn das Wasser verdunstet unter der sengenden Sonne sofort wieder. Wie schafft es die Natur bloss, dass es in einem Wald oder in einer Wiese auch jetzt noch genug Feuchtigkeit gibt, um die Wildpflanzen in atemberaubendem Tempo wachsen zu lassen? Die einfache Antwort lautet, dass die Natur nie so verrückt sein würde, die Bodenoberfläche aufzubrechen und sie brach liegen zu lassen. Doch genau das ist der Fall in meinem Gartenbeet. Bis auf den Salat, die Zwiebeln oder eben den Rucola liegt die Erde ungeschützt unter dem Himmel. Sie ist den Elementen ausgeliefert und hat keine Chance die in ihr gespeicherte Feuchtigkeit zu halten.
Mit einer Mulchschicht, wie sie auf
natürliche Weise im Wald vorkommt,
bleibt die Erde auch bei anhaltender
Trockenheit schön feucht.
In einer Wiese hingegen verhindert der dichte Pflanzenbewuchs eine übermässige Verdunstung. Die Pflanzen halten die Feuchtigkeit im Boden. Im Wald, wo die Pflanzen weiter auseinander stehen, übernehmen die welken Blätter diese Aufgabe. Die Bodenstreu aus Blattresten und zerstückeltem Holz ist ein effektiver Verdunstungsschutz. Der Waldboden ist auch jetzt noch angenehm feucht.
Das ist die Lösung. Ich wende das System Waldboden einfach auf meine Gartenbeete an. Halbverrotteter Kompost ist ideal dazu. Denn der besteht aus Blättern, Avocadoschalen, Kaffeebeuteln und noch allerlei undefinierbarer Biomasse. Das bringe ich in einer ein bis zwei Zenitmeter dicken Schicht auf meine Beete.
Nach einem Tag unter der brennenden Sonne sind die obersten paar Millimeter komplett trocken. Aber darunter bleibt der Boden für Wochen feucht. Biogärtner kennen das Prinzip natürlich bereits. Es nennt sich «Mulchen». Geht übrigens auch prima bei Blumentöpfen.
Es gibt aber noch einen weiteren Vorteil. In der feuchten Mulchschicht leben dieselben Organismen, wie im Komposthaufen. Haufenweise Springschwänze tummeln sich da und verwandeln das grobe Material in immer feinere Krümel. Bakterien und Pilze machen aus der Biomasse schliesslich wieder Nährstoffe für mein Gemüse. Das System Waldboden liefert also Wasser und Dünger zugleich.
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