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Pflastersteine sind ein Lebensraum. Wenn auch
ein sehr karger.
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Es gibt Bücher, von denen weiss man Jahrzehnte lang nicht, dass sie überhaupt existieren. Vermutlich weil man das Thema, das sie behandeln, gar nicht als möglichen Inhalt für ein Buch erkannt hat. Aber wenn man erst einmal in ihnen blättert, verändert sich die eigene Sicht auf die Welt grundlegend. «Lebensräume der Schweiz» ist so ein Buch. Sein Inhalt: die Beschreibung aller 235 hiesigen Lebensraumtypen vom «Fliessgewässer» über den «Kastanienwald» bis zur «Kammgrasweide».
Die Schweiz – ja, jedes Land – ist ein Flickenteppich und jeder Flick ist ein Lebensraum. Manche kommen sehr oft vor wie zum Beispiel das «Brombeergestrüpp», andere sind eher selten wie die «Queckenbrache». Interessant ist, dass diese Einteilung vor meinem Garten nicht Halt macht, sondern direkt bis vor meine Haustür reicht. Dort liegt meine Einfahrt. Ein kleiner Platz, der mit Pflastersteinen besetzt ist. Und tatsächlich führt das Buch die «Steinpflästerung» als Lebensraumtyp auf. Da lese ich in der Beschreibung: «Im Allgemeinen lückiger, niedrigliegender Pflanzenteppich in Fugen von Pflastersteinen und Ritzen andersartiger Hartbeläge, die stark begangen werden.»
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An den Rändern der Einfahrt blühen die Pflanzen sogar.
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Dort können nur Moose und kleinwüchsige Gefässpflanzen überleben, wie es heisst. Ich mache die Probe auf’s Exempel und schaue vor meiner Haustür nach. Und tatsächlich finde ich ein halbes Dutzend verschiedene Arten, die zwischen den Ritzen der Pflastersteine hervorwachsen. Das Moos gedeiht am üppigsten, vor allem in der Nähe der Schatten spendenden Hauswand. Sie lieben es eben kühl und feucht. Hingegen wo es mehr Sonne gibt, gedeihen kleine Kräuter und ein rotblättriger Klee bringt sogar Blüten hervor mitten in dieser kargen Steinwüste.
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Hier profitiert einer vom anderen: Das
Moos speichert Feuchtigkeit und die
kleine Erdbeere bedient sich davon. | |
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Die meisten Pflanzen wachsen an den Rändern der Einfahrt. Dort sammelt sich am meisten Laub und anderes Material, das als dürftiger Bodenersatz herhalten muss. Aber sogar auf den Pflastersteinen selbst gibt es Leben. Flechten und Algen wachsen in dieser sonnenversengten Todeszone, wo es meistens kein Wasser gibt oder dann viel zu viel auf einmal, wenn der Regen fällt. Meine Einfahrt ist übrigens ein bedrohter Lebensraum. Im Buch heisst es: «Dieser Pflanzenbewuchs wird häufig beim Überziehen der Steinpflästerung mit Asphaltbelägen oder durch Herbizidbehandlungen zerstört.» Also Finger weg von der Giftkeule.
Wie sieht es da wohl aus, du ein paar Jahre den Platz nicht mehr fegst?
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