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Sonntag, 30. Mai 2010

Unerwünschte Mieter

Kirschblattläuse saugen den Saft meines Kirschbaums.
Ameisen bewachen sie dabei.
«Viereinhalb-Zimmer Einfamilienhaus mit Aussicht auf den Garten; Wände bestehen aus Keramik; garantiert auch im Sommer kühl und feucht.» Mit diesem Inserat versuchte ich eine Familie von Ohrwürmern auf meinen Kirschbaum zu locken. Die Insekten sind grandiose Blattlausvertilger und sie halten sich gerne in verkehrt aufgehängten Blumentöpfen auf, die mit etwas Holzwolle gefüllt sind. Ich habe vor zwei Jahren gleich fünf Stück dieser Behausungen gebastelt und an die dünnen Ästchen gehängt.
Der Bau-Boom hat mit dem schlechten Zustand des Kirschbaums zu tun. Mies geht es dem, seit ich ihn gekauft habe. Viele seiner Blätter sind verschrumpelt und eingerollt – die Ursache: Blattläuse. Jahr für Jahr überwintern sie als Eier auf dem Baum und sobald sich im Frühling die ersten Knospen öffnen, beginnen sie ihr zerstörerisches Werk. Sie stecken ihre feinen Rüssel in die Leiterbahnen der jungen Blätter und saugen den Zuckersaft aus ihnen heraus. Dem Kirschbaum gefällt das ganz und gar nicht. Jeder Bauer weiss: wenn das Blattwerk nicht tadellos ist, kann man die Ernte vergessen.
Statt Ohrwürmer sind Schnecken eingezogen.
Deshalb greifen die Profis zur Chemiekeule. Doch in meinem Garten möchte ich natürlich keine Pestizide anwenden. Die Alternative ist die so genannte «biologische Schädlingsbekämpfung», bei der Nützlinge die Schädlinge auffressen, wie das eben die Ohrwürmer tun. Die Theorie tönt super, aber in der Praxis macht mir die Artenvielfalt einen Strich durch die Rechnung. Denn statt Ohrwürmer sind in meinen Blumentöpfen Schnecken eingezogen. Sie lieben es eben auch kühl und feucht.
Schlecht für meinen Kirschbaum – gut für die Blattläuse. Die brauchen sich vor Schnecken nicht zu fürchten und können sich unbekümmert ihrem Gelage hingeben. Mit schlimmen Konsequenzen für die Ernte. Die meisten der kleinen unreifen Kirschen sind bereits abgefallen. Wieder gehe ich leer aus.
Möglicherweise liegt es an meinem Ansatz. Statt darauf zu warten, bis die Ohrwürmer von selbst zum Baum finden, könnte ich sie im Garten einsammeln und auf dem Baum aussetzen. So machen es die Bio-Experten auch. Sie kaufen die Nützlinge in Schachteln und setzen sie an der Stelle aus, wo sie ihr Werk verrichten sollen. Die biologische Schädlingsbekämpfung ist eine wachsende Industrie. Bis heute hat der Mensch bereits 2700 Nützlinge für seine Dienste rekrutiert. Firmen wie «Andermatt Biocontrol» züchten und vertreiben sie in alle Welt. Vielleicht bestelle ich dort mal ein paar Marienkäferlarven. Die fressen auch Blattläuse und sie leben erst noch unter freiem Himmel.

1 Kommentar:

  1. Tipp: die Holzwolle von Zeit zu Zeit auswechseln, dann bleiben die Ohrwürmer länger.

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